Zum Ausbruch der Pandemie hat die Fraunhofer-Gesellschaft das Sofortprogramm »Anti-Corona« ins Leben gerufen, um Lösungen für Probleme im Zusammenhang mit der pandemischen Ausbreitung von COVID-19 zu finden. Gefördert werden Einzel- oder Gemeinschaftsprojekte, die zur akuten Eindämmung der Pandemie beitragen, KMU bei dem darauffolgenden Ramp-up unterstützen oder auf Prävention zukünftiger Krisenereignisse fokussieren.
BALTO: Kleiner Held mit großer Wirkung im Kampf gegen Pandemien
Genau hier setzt die BALTO-Initiative des Fraunhofer Italia Innovation Engineering Center in Bozen an, die in Kooperation mit dem Fraunhofer IAO in Stuttgart entstanden ist. Zum Vorbild nimmt sich das Projekt einen Siberian Husky, namens BALTO, der mit seiner Intelligenz und Ausdauer dazu beitrug, im Jahr 1925 den Ausbruch einer kritischen Diphtherieepidemie im amerikanischen Nome (Alaska) zu verhin-dern. In Analogie zu dem intelligenten und selbstständigen Schlittenhund, der dem Menschen als Begleiter zur Seite stand, wird der autonome Roboter BALTO kritische Zonen in Gebäuden präzise, zuverlässig und hochautomatisiert desinfizieren. Wie er das schafft, erzählt Dr.-Ing. Andrea Giusti, Themenfeldleiter »Advanced Robotics« bei Fraunhofer Italia: »Dank digitaler Zwillinge von Gebäuden, den sogenannten digital twins, und deren Integration im Roboter selbst kann die mobile BALTO-Plattform zu desinfizierende Komponenten, wie etwa eine Türklinke, automatisch erkennen.« BIM-basierte digitale Zwillinge von Gebäuden enthalten nicht nur die 3D-Geometrie, sondern auch sehr hilfreiche Zusatzinformationen zu einzelnen Komponenten. Diese werden im Rahmen von BALTO über eine direkte Schnittstelle zwischen dem BIM-Modell und der Navigationssteuerung der Roboterplattform in Echtzeit genutzt, um ineffiziente und zeitaufwändige »seek&identify«-Missionen zu vermeiden. »Eine solche hochautomatisierte Systemlösung zur Desinfektion kritischer Zonen kann besonders interessant für das Facilitymanagement von größeren privaten oder öffentlichen Gebäuden sein, wie Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser oder ganz allgemein von größeren Unternehmen, um neue Herausforderungen in Bezug auf COVID-19 mit weniger Aufwand zu bewältigen« sagt Dr.-Ing Michael Riedl, Projektleiter von BALTO und stellvertretende Leiter vom Bozner Center, und setzt fort »in den nächsten Monaten werden wir die ersten beiden BALTO-Roboter unter Realbedingungen u.a. am NOI Techpark in Bozen testen.«
Flexible Lösung für Desinfektionsprozesse von Gebäuden
Vor allem in der Anwendung von BALTO in Gebäuden für die Fertigung sei es unerlässlich, dass BALTO dort stets aktuelle Informationen der räumlichen Randbedingungen bekommt. Dr. Carmen Constantinescu vom Fraunhofer IAO betont: »Dabei spielt die Anbindung der Gebäudemodelle aus dem Building Information Management und dem Facility Management an die digitalen Modelle aus der digitalen Fabrik eine wichtige Rolle.« Die Schnittstelle zwischen dem System »Gebäude« und dem System »interne Nutzung« wird daher im Projekt besondere Berücksichtigung finden.
Ein zweites wesentliches Herausstellungsmerkmal von BALTO unterstreicht Günter Wenzel, Leiter des Forschungsteams Building Culture Innovation und Projektleiter für BALTO am Fraunhofer IAO in Stuttgart: »Uns ist es wichtig nicht nur eine innovative technologische Lösung auf dem aktuellen Stand der Forschung zu entwickeln, sondern diese auch direkt in die vorhandenen Reinigungs- und Desinfektionsprozesse im Gebäudemanagement zu integrieren. Die in BALTO entwickelten Ansätze können zukünftig den Facilitymanagern von größeren Gebäuden effizient helfen den stetig wachsenden Anforderungen im digital unterstützten operativen Gebäudemanagement gerecht zu werden.«
Das Forschungsteam aus den zwei Fraunhofer-Instituten denkt schon über die Coronakrise hinaus und bereitet die BALTO-Plattform auch für weitere Anwendungsfälle abseits von Desinfektionsaufgaben vor. Denkbar ist etwa der Einsatz der mobilen Roboter als Assistenzsysteme auf der Baustelle oder im Bereich der Präzisionslandwirtschaft.