Je stärker sich unser Leben im Digitalen abspielt, umso wichtiger ist es, sich elektronisch schnell und sicher identifizieren zu können. Nicht erst seit der Coronakrise finden nahezu alle Wirtschafts- oder Verwaltungsprozesse online statt. Die Identifikation einer Person oder eines Objekts, also deren Digitale Identität, ist ein unerlässliches Eingangstor für die digitale Geschäftsabwicklung. Trotz in der sogenannten eIDAS-Verordnung verankerter europaweit geltender Regelungen für die Bereiche »Elektronische Identifizierung (eID)« und »Elektronische Vertrauensdienste« werden die heute verfügbaren Lösungen aus öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft zur elektronischen Identifizierung von Personen in der Regel kaum genutzt. Häufig müssen sich Nutzende für jeden neuen Service wieder umständlich neu registrieren – als Alternative bleiben Ihnen nur von großen sozialen Netzwerken bereitgestellte Login-Verfahren, die aus einer Datenschutz- und Sicherheitsperspektive bedenklich sind.
Das Team »Identitätsmanagement« des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO forscht schon seit acht Jahren im Rahmen nationaler und EU-weiter Projekte an sicherer und föderierter Identifikation für digitale Anwendungen, berät deutsche und internationale Organisationen und publiziert zum Thema. Gerade erst wurde ein mit weiteren Co-Autoren verfasstes Bitkom Infopapier »Self Sovereign Identity Use Cases – von der Vision in die Praxis« veröffentlicht. Im Innovationswettbewerb »Schaufenster Sichere Digitale Identitäten« des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) arbeitet das Expertenteam in drei verschiedenen Projekten an der breiten Anwendung von sicheren eID-Lösungen. »Um eine breite Nutzung digitaler Identitäten zu erreichen, braucht es ein funktionierendes Ökosystem aus Endnutzern und Anbietern. Das Spannende an diesen Projekten ist es, dass wir gemeinsam mit den unterschiedlichen Stakeholdern genau am Aufbau eines solchen Ökosystems arbeiten«, betont Dr. Heiko Roßnagel, der die Projekte am Fraunhofer IAO verantwortet.
EMIL: eIDAS Ökosystem Identity Self-Sovereign
In diesem Projekt stehen die Herausforderungen und Bedürfnisse beim Einsatz digitaler Identitäten in Behörden wie Unternehmen für die fiktive Person Emil, die einen Durchschnittsbürger der Bundesrepublik repräsentieren soll, im Fokus. Im privaten Umfeld lassen sich damit digitale Anträge/Verträge mit Kommunen oder Serviceanbietern abschließen wie z.B. ein Handyvertrag, ein Mietautovertrag oder die Baugenehmigung fürs Eigenheim. Im Business-Umfeld sind die Potenziale noch größer, denn gerade dort gehören Vertragsabschlüsse und die damit verbundene rechtskonforme Überprüfung der Identität von Vertragspartnern zum täglichen Geschäft. Ziel hierbei ist es, mobil nutzbare, universell einsetzbare und rechtlich anerkannte digitale Identitäten zu etablieren, die vom Benutzer oder dem Besitzer des Objekts selbstbestimmt verwaltet werden – entsprechend dem Konzept der sogenannten »Self Sovereign Identity (SSI)«. Das Projekt ist ein wichtiger Baustein, um das Thema digitale Identität zu standardisieren, in die Praxis zu transportieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein Kernthema des Fraunhofer IAO für die Wettbewerbsphase ist die Konzeption des nachhaltigen und offenen Ökosystems. Des Weiteren ist das Fraunhofer IAO an der Planung von drei Use Cases beteiligt. Zudem entwickelt das Projektteam Konzepte, die über den einzelnen Anwendungsfall hinaus veranschaulichen, wie digitale Identitäten UseCase übergreifend validiert, evaluiert und bzgl. des Nutzungserlebnisses optimiert werden können.
SHIELD: Ökosystem für sichere digitale Identitäten
Das interdisziplinäre Expertenteam aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft erarbeitet im SHIELD-Projekt ein offenes und vor allem langfristig tragfähiges Ökosystem für rechtskonforme und sichere digitale Identitäten. Pilotiert werden in SHIELD sichere digitale Identitäten in den folgenden Anwendungsbereichen mit großer Breitenwirkung und Alltagsrelevanz: Arbeit, Immobilien, Bildung, Soziales, eGovernment, eCommerce, Forschung, Gesundheit, Mobilität, Justiz, Finanzen, Umwelt, Industrie 4.0 und Logistik. Das Fraunhofer IAO ist umfassend an der konzeptuellen Entwicklung beteiligt. Darüber hinaus fokussiert es besonders auf den Anwendungsbereich Industrie 4.0.
ONCE: Einfach online anmelden
Das Projekt »ONCE – Online einfach anmelden« der Bundesdruckerei und ihren Konsortialpartnern ist im Juni 2020 gestartet. ONCE entwickelt und implementiert für die Schaufensterregion Hessen Anwendungsszenarien für sichere digitale Identitäten in den Bereichen Verwaltung, Mobilität und Hotellerie: Prozesse aus dem Alltag von Bürgern und Organisationen sollen durch sichere mobile digitale Identitäten vereinfacht werden. ONCE untersucht, wie ID-Systeme mit unterschiedlichen Vertrauensniveaus und technischen Architekturen für den Nutzer einfach und transparent zusammengeführt werden können. Im Projekt konzentriert sich das Fraunhofer IAO auf die Gestaltung des offenen Identitätsökosystems. Hierzu werden die ökonomischen Anforderungen der Ökosystem-Stakeholder erfasst, Wertschöpfungsketten identifiziert und Geschäftsmodelle entworfen.