Unternehmen, die neue Technologien für sich nutzbar machen möchten, benötigen in der Regel Unterstützung. Das Fraunhofer IAO leistet Hilfe im Rahmen von sogenannten »Exploring Projects«. Ein Beispiel: Die Entwicklung von KI-Anwendungen für das Logistikunternehmen »Zeitfracht«.
Von der Suchmaschine über den Chatbot bis zum Spamfilter: In der virtuellen Welt sind wir schon heute ständig in Kontakt mit Anwendungen, die auf der Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten. Und auch in der realen Welt mehren sich die Möglichkeiten: Auf den Straßen sind autonome Fahrzeuge unterwegs, in Wohnungen arbeiten Staubsaugroboter und in der Landwirtschaft entscheiden immer häufiger Maschinen, wann ein Feld bewässert oder geerntet wird.
Doch welches Potenzial birgt das für den deutschen Mittelstand? Welche Vorteile bietet die Zukunftstechnologie für Unternehmen aus den Bereichen Industrie oder Dienstleistung? Auf diese Fragen haben viele Unternehmen hierzulande noch keine konkrete Antwort gefunden. »Vor allem kleineren Unternehmen fehlen oft die Möglichkeiten, KI-Anwendungsfälle zu identifizieren und umzusetzen«, sagt Dr. Matthias Peissner. Er leitet als Institutsdirektor den Forschungsbereich »Mensch-Technik-Interaktion« und ist zugleich einer der beiden Leiter des KI-Fortschrittszentrums, einer gemeinsamen Initiative des Fraunhofer IAO und IPA am Institutszentrum Stuttgart. Hier möchte Peissner Unternehmen aus Baden-Württemberg die Möglichkeit geben, sich mit KI vertraut zu machen.
KI-Anwendungen erproben
»Exploring Projects« nennt sich die Initiative, in deren Rahmen Fraunhofer-Expert*innen gemeinsam mit Unternehmen neue Technologien nutzbar machen. Gefördert werden die Projekte vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg. Beispiele dafür sind Projekte des KI-Forschungszentrums, bei denen konkrete KI-Anwendungen in Unternehmen entwickelt und erprobt werden.
Für die Unternehmen ist die Teilnahme kostenlos, im Gegenzug wird eine Zusammenfassung der Projektergebnisse veröffentlicht. Sorge, zu viel vom eigenen Unternehmen preiszugeben, müsse dennoch niemand haben: »Wir erstellen zwar Machbarkeitsstudien zu konkreten Fragestellungen, veröffentlicht werden aber nur die Ergebnisse, die sich in ähnlicher Form auch auf Anwendungsfälle in anderen Unternehmen übertragen lassen«, so Peissner. Am Ende steht ein Wissenstransfer – ohne, dass viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert werden musste.
Wie solche Probleme aussehen, zeigt ein Exploring Project mit dem Logistikunternehmen »Zeitfracht«. Das Unternehmen, das unter anderem im Großhandel aktiv ist, suchte nach einem Vorhersagemodell, das es ihm ermöglichte, zu jedem Zeitpunkt den perfekten Lagerbestand für die zahlreichen Produkte zu kennen. »Das Ziel war, einerseits Lagerkosten zu minimieren und andererseits trotzdem schnell liefern zu können«, erläutert Peissner.
Zuvor arbeitete Zeitfracht dafür mit einem Vorhersagemodell aus dem Bereich des Supply Chain Management. »Wir wollten nun herausfinden, ob wir mithilfe von Machine Learning bessere Resultate erzielen könnten«, so Peissner. Das Ergebnis: Ein »Jein«, wie der KI-Experte berichtet. »Für den Großteil des Jahres war unser Algorithmus präziser als das bisherige Modell.« Doch gerade in den Handelshochphasen, etwa kurz vor Weihnachten, zeigte sich laut Peissner, dass die Erfahrungswerte der Mitarbeitenden und das bestehende Verfahren differenziertere Prognosen liefern konnten. Für den Wissenschaftler war dies allerdings ein Ergebnis, mit dem er sehr gut leben konnte. »Unser Ziel ist eine menschzentrierte KI, also eine, bei der die Entscheidungen immer noch bei einer Person liegen«, sagt er. In so einem Szenario ließen sich die Vorteile des Algorithmus mit dem Know-how der Mitarbeitenden am besten kombinieren.
Projektstart für Unternehmen kostenlos
Seit dem Start im Herbst 2019 hat das KI-Fortschrittszentrum bereits insgesamt 21 »Exploring Projects« abgeschlossen. Die Nachfrage sei hoch, nahezu jede zweite Bewerbung müsse man ablehnen. »Es werden die Projekte ausgewählt, die innovativ und zugleich technisch machbar sind und einen möglichst großen wirtschaftlichen Nutzen versprechen – auch im Hinblick auf die Breitenwirkung über das antragstellende Unternehmen hinaus«, erklärt Peissner. Außerdem müssten die Maßnahmen innerhalb eines angemessenen Zeitraums umzusetzen sein. »In der Regel machen wir erstmal einen einmonatigen Quick-Check, wenn der positiv ausfällt, investieren wir drei Monate in das Exploring Project«, sagt er. Danach könnten die Unternehmen die entwickelten Lösungen auch weiter nutzen. »Allerdings wird es dann kostenpflichtig, da die Landesförderung nur den Proof-of-Concept abdecken darf«, sagt Peissner. Trotzdem sei die Teilnahme attraktiv. »Denn nach dem Exploring Project wissen sie auch definitiv, ob es sich lohnt, das Geld in die Hand zu nehmen«.