Quantencomputing nutzbar machen
Mitarbeitende zu schulen, ist der eine Aspekt der Zukunftsqualifizierung der deutschen Wirtschaft. Der Andere ist die Nutzbarmachung der entsprechenden Technologien. Hier kommt Dr. Christian Tutschku ins Spiel. Er leitet das Team Quantencomputing am Fraunhofer IAO. Das Institut ist seit 2020 zusammen mit dem Fraunhofer IAF für die Koordination des »Kompetenzzentrums Quantencomputing« in Baden-Württemberg zuständig. »Heutzutage ist es teils noch völlig unklar, wie wir die Quantentechnologie in naher Zukunft in die breite industrielle Anwendung bringen können«, sagt er. Deshalb arbeiten die Expert*innen im Kompetenzzentrum momentan daran, konkrete Anwendungsbereiche ausfindig zu machen, die zeigen sollen, wo die neue Wunderwaffe ihre versprochene Wirkung voll entfalten kann. »Dabei geht es um die produzierende Industrie, etwa um Schnittmuster bei Blechen, aber auch um Themen wie Ladesäulen-Infrastruktur bei E-Autos oder CFD-Simulationen für Strömungs- und Mischprozesse«, erklärt Tutschku.
Kern des Quantencomputings sind die sogenannten Qubits. Die funktionieren ähnlich wie die Bits in klassischen Rechnern. Ihr Vorteil: Während Bits nach dem Binärcode arbeiten, also entweder für eine »Null« oder eine »Eins« stehen – und somit digitale Informationen als eine Abfolge von »Nullen« und »Einsen« darstellen, können Qubits gleichzeitig 0 und 1 sein. Dann sprechen Expert*innen von einer »Superposition«. Die Folge: Wenn beispielsweise Szenarien errechnet werden, lassen sich zahlreiche Möglichkeiten gleichzeitig – und somit insgesamt viel schneller durchspielen. Gerade bei der Analyse und Verarbeitung großer Datenmengen bietet dies enorme Vorteile.
So wichtig Quantencomputer wohl einmal werden: »Für die Unternehmen selbst ist es angesichts des Forschungsstands heute noch nicht lukrativ, selbst daran zu forschen«, sagt Tutschku. Deshalb lösen die Wissenschaftler*innen gemeinsam mit einem großen Netzwerk aus innovativen Unternehmen konkrete Anwendungsprobleme. Dabei können die Forschenden mittlerweile auf den größten kommerziell nutzbaren Quantencomputer Europas zugreifen. Dieser steht im Quantum-Village Ehningen bei Stuttgart und wird vom US-amerikanischen IT-Konzern IBM betrieben. Bereits in der Vergangenheit hatte das Kompetenzzentrum mit IBM zum Aufbau der Quanteninfrastruktur kooperiert.
»Für uns ist es insbesondere wichtig, dass unsere Problemlösungen breit übertragbar sind«, so Tutschku. »Wenn Sie etwa die idealen Fahrrouten für die Lkw-Flotte eines Logistikkonzerns errechnen, können Sie dieses Konzept später auch anderweitig anwenden.« Zwar seien die konkreten Anwendungsfelder bei anderen Unternehmen auch anders gelagert. »Aber das grundlegende mathematische Problem ist oft dasselbe.« Daher machen die Forschenden ihre Ergebnisse nach dem Open-Source-Prinzip auch öffentlich zugänglich.