Die Stärke der deutschen Wirtschaft beruht im Wesentlichen auf der Innovationsfähigkeit der Schlüsselindustrien KfZ- und Maschinenbau, Chemie, Elektrotechnik sowie den Informations- und Kommunikationstechnologien. Gerade Unternehmen aus diesen Branchen sind sich noch unsicher, wie es nach Lockerungen oder nach einer Eindämmung des Corona-Virus mit ihrer digitalen Arbeitswelt weitergehen soll. Wie viel »New Normal« fördert die Forschung und Entwicklung in den Unternehmen und ab wann behindert die virtuelle Zusammenarbeit die notwendigen Kreativ- und Innovationsprozesse?
Repräsentative Befragung von mittelständischen und Großunternehmen verschiedener Branchen
Antworten auf diese Fragestellung hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in einer Forsa-Umfrage unter 328 deutschen mittelständischen und Großunternehmen der deutschen Schlüsselindustrien und aus der Branche Finanzen und Versicherungen erhoben. Ziel der Forschungsstudie war es, die Auswirkung der Corona-Pandemie und der massiv gestiegenen Verbreitung von virtueller Zusammenarbeit und Homeoffice auf die Innovationskraft der Unternehmen zu untersuchen. Aus den Ergebnissen haben die Forschenden Handlungsempfehlungen erarbeitet, wie Unternehmen künftig virtuelle Zusammenarbeit nutzen sollten, um die Innovationskraft Deutschlands weiter zu stärken.
Corona schwächt Wirtschaft temporär, stärkt aber den Innovationsstandort langfristig
Die Studie zeigt, dass die Corona-Pandemie die Wirtschaftskraft der mittelständischen und großen Unternehmen im Jahr 2020 eher geschwächt hat, sich das Innovationsklima aber insgesamt positiv entwickelt hat. Besonders die Faktoren Veränderungsbereitschaft, Eigenverantwortung und Beteiligung haben in den Forschungs- und Entwicklungs-Teams der befragten Unternehmen einen Schub erhalten. Die Unternehmen der verschiedenen Branchen unterscheiden sich mitunter deutlich darin, wie stark die virtuellen Kooperationsformen die Zusammenarbeit im Team verändert haben. Tendenziell sind die positiven Auswirkungen auf das Innovationsklima in den Branchen IKT sowie Finanzen und Versicherungen am größten gewesen.
Pandemie wirkt als »Digitalisierungsbooster« für virtuelle Zusammenarbeit
Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Corona-Pandemie zwar einen negativen Effekt auf die Wirtschaftlichkeit von v.a. älteren Unternehmen in Kfz-Bau und Elektrotechnik hatte, zugleich jedoch in allen Branchen als »Digitalisierungsbooster« für virtuelle Zusammenarbeit gewirkt hat. Drei Viertel der befragten Unternehmen (72,2 Prozent) gaben an, dass das Ausmaß der virtuellen Zusammenarbeit bei Ihnen im vergangenen Jahr deutlich zugenommen habe. Man kann feststellen, dass die Corona-Pandemie einen Innovationsstau in den Unternehmen gelöst hat, was die Digitalisierung der Arbeitsprozesse angeht. So geben zwei von drei Unternehmen (64,4%) an, dass die erforderliche Infrastruktur schon vor der Pandemie vorhanden war. »Die Krise hat zu einer noch nie dagewesenen Innovationsdynamik geführt, Produkte und Dienstleistungen neu zu erfinden. Es gibt eine große Bereitschaft, digitale Plattformen zu nutzen, Kooperationen einzugehen, über Branchen hinweg zusammenzuarbeiten und schnell neue Lösungen zu finden« sagt Prof. Wilhelm Bauer, Institutsleiter des Fraunhofer IAO.
»Was noch fehlt, ist eine intensive Auseinandersetzung mit der Führungskultur und den Managementmethoden in Unternehmen, hier braucht es im New Normal weitere Innovationen« ergänzt Katharina Hochfeld, Forschungsbereichsleiterin im CeRRI des Fraunhofer IAO.
Unternehmenskultur als Stellschraube für Veränderungsprozesse
Bemerkenswert ist die Erkenntnis, dass die Fähigkeit, sich schnell und agil auf die veränderte Situation mit Homeoffice und virtueller Zusammenarbeit einzustellen, nicht nur von der Branchenzugehörigkeit, als auch von Unternehmensgröße und -alter abhängt. Eine moderne und zukunftsfähige Unternehmenskultur dient als Stellschraube an vielen Stellen: »Wer in der Lage ist, seine Prozesse und Strukturen agiler zu gestalten und die technischen Rahmenbedingungen zu schaffen, um neue Formen der Zusammenarbeit zu ermöglichen, kann vielfältige Herausforderungen bewältigen und ist krisenfest. Große und jüngere Unternehmen sind da häufiger im Vorteil.«, so Studienleiter Dr. Clemens Striebing vom »Center for Responsible Research and Innovation CERRI«, am Fraunhofer IAO. »Bereits heute setzen sich die Unternehmen mit der Frage auseinander, wie viel ›New Normal‹ es noch sein soll und kann, wenn die durch die Pandemie bedingten Einschränkungen gelockert werden oder ganz wegfallen. Für das richtige Maß an flexiblen Arbeitszeitmodellen, Führen auf Distanz oder virtuelle Kollaboration ist dann allein die spezifische Unternehmenskultur maßgeblich, denn dass ›rein virtuell‹ überall möglich ist, wurde jetzt bewiesen«, resümiert Striebing.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse steht ab sofort kostenlos zum Download zur Verfügung. Bei einem Webinar am 27. April 2021 stellt das CeRRI-Forschungsteam des Fraunhofer IAO zudem die Studienergebnisse live vor und zeigt auf, wie der Weg zur Unternehmenskultur 2030+ gelingen kann. Einblicke, welche Strategien sich im Umgang mit virtueller Zusammenarbeit in der Unternehmenspraxis als erfolgreich herausgestellt haben, gibt Gastreferent Erik Wirsing, Vice President of Global Innovation bei DB Schenker.