Das Wachstum des Online-Handels hat der Lieferindustrie im Allgemeinen und der Paketbranche im Besonderen einen Boom beschert. Dieser Boom wird auch jenseits der Corona-Beschränkungen anhalten, weil sich gegenwärtig das Einkaufs- und Konsumverhalten strukturell verändert. Gleichzeitig steht die Kurier-, Express- und Paketbranche – kurz: KEP-Branche – in den großen Städten unter erhöhtem Druck, da sie ökologisch nachhaltige Zustellkonzepte umsetzen soll. Gemeinsam mit der Input Consulting GmbH hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO einen Blick auf die Gegenwart und Zukunft der Zustellbranche gewagt, um Folgendes zu klären: Welche Zustellkonzepte werden sich künftig durchsetzen und welche Auswirkungen könnte dies auf die Zustellarbeit bzw. die Arbeitsorganisation von Zusteller*innen haben?
Zustellarbeit am Scheideweg?!
Die Ergebnisse der Analysen deuten darauf hin, dass die Zustellarbeit der KEP-Branche am Scheideweg steht: Unterschiedliche Technologien haben das Potenzial, die Arbeit weiter zu flexibilisieren und zu zergliedern, sodass selbst mit unerfahrenen Zustellkräften eine hohe Produktivität auf der letzten Meile erreicht werden kann. Möglich wird dies z.B., wenn Tourenprofile und Gangfolgen automatisiert geplant werden. Dies ermöglicht einen variablen Zuschnitt von Sendungsgebieten und einen erheblich flexibleren Einsatz von Fahrer*innen. Eine weitere Flexibilisierung in Form höherer Teilzeitquoten dürfte erforderlich werden, wenn für die innerstädtische Zustellung durch den Einsatz kleinerer und nachhaltigerer Fahrzeuge (z.B. Lastenräder) mehr Arbeitskräfte benötigt werden. »Harte« Automatisierung hingegen, wie der Einsatz von Zustellrobotern und Drohnen, dürfte auf der letzten Meile in naher Zukunft keine große Rolle spielen. »Die Frage, ob Zustellarbeit künftig noch ein regulärer Vollzeitjob ist oder ob prekäre Teilzeitmodelle dominieren, wird jetzt entschieden«, sagt Dr. Bernd Bienzeisler, Leiter des Forschungs- und Innovationszentrums Kognitive Dienstleistungssysteme am Fraunhofer IAO.
Zustellkonzepte zwischen Flexibilität und Produktivität
Insgesamt zeichnen sich Zustellkonzepte ab, die darauf abzielen, dem Wunsch der Kund*innen nach einer höheren Planbarkeit im Zustellprozess zu entsprechen und zugleich positiv auf die Arbeits- und Prozessproduktivität zu wirken. Darüber hinaus sind im urbanen Raum alternative Zustellkonzepte zu beobachten, die durch den Einsatz kleinerer Fahrzeuge und gestufter Depot-Strukturen eine schadstoffreduzierte Zustellung anstreben. Dies alles führt zu einer Neuausrichtung von Arbeitsprozessen, zu neuen Formen der Arbeitsorganisation, aber auch zu neuen physischen und psychischen Belastungssituationen von Beschäftigten. Wer mehr über Zustellarbeit auf der letzten Meile wissen will, hat jetzt die Möglichkeit, sich kompakt und umfassend zu informieren.