Allein im ersten Quartal des Jahres 2021 ging die Gesamtanzahl aller Hotelübernachtungen in Baden-Württemberg laut des Statistischen Landesamts im Vergleich zum Vorjahr um 63 Prozent zurück. Speziell im Schwarzwald wurden bis Mitte 2021 Einbußen von rund 31 Prozent vermeldet. Seit März 2020 erlebt das Hotelgewerbe weltweit und branchenübergreifend eine der bisher spürbarsten Krisen. Die Pandemie verursacht in fast allen Betrieben des Gastgewerbes nicht nur massive finanzielle Einbußen und akute Existenzängste, sondern auch Sorgen um die eigene Belegschaft und Zukunftsfragen. Das Geschäftsreiseverhalten, der Tourismus und die Anforderungen der Reisenden werden sich weiter verändern, ebenso wie der Markt das Wettbewerbsumfeld. Die Hotellerie- und Tourismusbranche muss sich nun neu aufstellen und innovative Alleinstellungsmerkmale sowie Standortfaktoren für In- und Ausland schaffen. Aus diesem Grund unternahm der Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg Dr. Patrick Rapp Mitte Oktober eine Reise durch mehrere Ausbildungsbetriebe der Tourismusbranche in Baden-Württemberg, um sich vor Ort über die aktuelle Situation, die Herausforderungen durch Corona und neue, kreative Ansätze auszutauschen. Ende letzter Woche kam Rapp gemeinsam mit dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl an das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart, um über Erkenntnisse aus der angewandten Forschung zu sprechen, die für die Zukunft von Hotellerie und Tourismus in Baden-Württemberg von Bedeutung sind. Am Institut forscht Prof. Dr. Vanessa Borkmann bereits seit 2008 im Verbundforschungsprojekt »FutureHotel« an zentralen Fragestellungen für das Hotel der Zukunft. Im Januar 2022 startet die siebte Forschungsphase mit Fokus auf innovative und resiliente Geschäftsmodelle im »New Better«.
Neue Geschäftsmöglichkeiten für Post-Corona-Marktumfeld im Fokus von FutureHotel
Welche Reisemuster und -anforderungen ergeben sich aus den neuen multimodalen Mobilitätsangeboten in unserer Gesellschaft? Wie verändert sich das Wettbewerbsumfeld in der Hotellerie? Welche Hotelkonzepte, Standorte und Standards werden in Zukunft gefragt sein? Welche innovativen Business Cases lassen sich identifizieren? Um diese und viele weitere Fragen zur Zukunft der Hotel- und Tourismusbranche zu beantworten, dreht sich die neue Forschungsphase von »FutureHotel« um innovative Geschäftsmöglichkeiten für eine resiliente Post-Corona-Hotelbranche. Neben Lösungen für zukunftsfähige Arbeitswelten im Gastgewerbe geht es auch um solche für vernetzte und nachhaltige Hotels mit digitalisierten Services. Hierbei entstehen zahlreiche Anknüpfungspunkte und Synergien für das Land Baden-Württemberg, wie Strobl betont: »Baden-Württemberg ist DER Innovationsstandort in Europa. Die Pandemie hat vielen Bereichen enorm zugesetzt, insbesondere der Tourismusindustrie. Gerade deshalb sind Forschungsprojekte wie das FutureHotel des Fraunhofer IAO so wichtig, gerade auch die Erprobung ganz neuer, digitaler Ansätze. Die Digitalisierung wird über unsere Wettbewerbsfähigkeit entscheiden. Deshalb haben wir als Landesregierung hier einen klaren Schwerpunkt gesetzt und eine Milliarden-Investitionsoffensive gestartet, alleine 2,5 Milliarden in den letzten fünf Jahren. Nur wenn wir hier alle anpacken, werden wir erfolgreich sein!« Für das Bundesland zählt das Gastgewerbe mit zu den wichtigsten Wirtschafts- und Standortfaktoren: Rund 377 000 rechnerische Vollzeitarbeitsplätze waren im Jahr 2019 laut der dwif-Consulting GmbH dort vergeben mit einem Umsatz von über 13 Milliarden Euro. Rapp dazu: »Die Gäste- und Mitarbeiterzufriedenheit, Service-Effizienz und -Qualität, der Einsatz von Digitalisierung und neuen Technologien, aber auch die daraus resultierenden Auswirkungen auf Geschäftspartner, Stakeholder und zukünftige Mitarbeitende sind essenziell für die Zukunft dieser Branche. Dabei ist es auch an der Politik, bei der Findung passender Formate und Lösungen zu unterstützen sowie die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen.«
Innovative Transferformate und Sprintprojekte sind gefragt
Wenn es um die Entwicklung von Austauschformaten und innovativen Geschäftskonzepten für die Tourismus- und Hotelbranche geht, kann das Fraunhofer IAO auf seine Erfahrungen aus zahlreichen Transferprojekten aus der Digitalakademie@bw oder dem Transfer- und Entwicklungszentrum »Business Innovation Engineering Center BIEC« zurückgreifen. Auch Projekte wie die Digital.Labore des »Kommunalen InnovationsCenter@bw«, die Begleitforschung der »Zukunftskommunen@bw« oder das Popup Labor BW, eine Art mobile Innovationswerkstatt auf Zeit, stellen Vorarbeiten dar, die sich über konkrete Maßnahmen im Bereich Gastgewerbe und Tourismus fortführen und verstärken lassen. »Damit wir geeignete Digital- und Transferformate für die Branche entwickeln können, benötigen wir viele Partner aus der Hotelbranche für unsere neue Forschungsphase«, so Borkmann vom Fraunhofer IAO. »Deshalb freuen wir uns auf jede einzelne Zusammenarbeit mit Hotels, die gemeinsam mit uns Lösungen für das eigene Haus innovativ und zukunftsweisend gestalten.«
Außerdem sehen die Expert*innen des Fraunhofer IAO im Baden-Württemberg Haus auf der Expo 2020 eine thematische Schnittmenge zwischen Tourismus, Standortmarketing und Digitalisierung als Brücke für ein mögliches ressortübergreifendes Vorgehen. Als einziger Regionspavillon auf der Weltausstellung in Dubai bietet dieser internationale Sichtbarkeit und Perspektiven für das Gastgewerbe in Baden-Württemberg. Auch die Kooperation von öffentlichen, kommunalen und wirtschaftlichen Akteuren, wie sie im Projekt BW-Haus demonstriert wird, sehen die Expert*innen als wichtige Voraussetzung für die zukünftige Transformation des Sektors – von der Ebene eines Hotelbetriebs bis auf die Ebene der gesamten Tourismusregionen.