Unbestritten sind die Potenziale, die KI für viele Anwendungsfelder und insbesondere die Qualitätskontrolle im Produktionskontext hat. Unbestritten ist jedoch gleichermaßen, dass es bei der Einführung von KI-Technologien auch einige Unbekannte gibt. Dazu können Themen wie regulatorische und normative Vorgaben wie der vieldiskutierte »EU AI Act« gehören, mögliche Risiken hinsichtlich personeller oder finanzieller Schäden oder auch die zugrundeliegenden Daten und deren sinnvolle Verarbeitung. Ein besonders wichtiger Faktor sind auch die Menschen, die künftig mit der KI zu tun haben werden. Sie sollen dieser vertrauen und sie auch mithilfe ihres umfassenden Fach- und Domänenwissens mitgestalten können.
Um genau diesen Aspekten bei der Einführung von KI in der Automobilproduktion zu begegnen, hat Audi das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO mit seinem Forschungs- und Innovationszentrum Kognitive Dienstleistungssysteme KODIS in Heilbronn und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA beauftragt. Im Rahmen der mehrmonatigen Zusammenarbeit am Audi-Standort Neckarsulm gab es drei Projektetappen, in denen anhand des Anwendungsfalls »Schweißen von Autokarosserien« mögliche Hürden bei der KI-Einführung und Lösungsmöglichkeiten für eben diese erarbeitet wurden. Im Kern ging es darum, künftige KI-Anwendungen angemessen absichern und dokumentieren zu können, sowie alle beteiligten Parteien bei Audi in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen.
Menschzentrierte KI als Ziel
Eine positive Einstellung gegenüber der neuen KI-Technologie zu fördern, war den Projektpartnern aufseiten von Audi besonders wichtig. Deshalb starteten die Fraunhofer-Experten zunächst mit Interviews beim Personal. Sie befragten Fachkräfte in der Produktion, in der Qualitätssicherung, von der IT und Führungskräfte hinsichtlich der Potenziale und Wünsche, die sie mit dem KI-Einsatz verbinden. Gespräche mit externen Zertifizierungsstellen ergänzten die Audi-internen Interviews.
Als beispielhafter Anwendungsfall wurde dann im zweiten Projektschritt das sogenannte Widerstandspunktschweißen (WPS) ausgewählt und hinsichtlich seiner Eignung für den KI-Einsatz bewertet. Bisher erfolgt die Qualitätskontrolle hier angeleitet von einer Fachkraft. Das bedeutet, dass die Fachkraft Schweißpunkte mithilfe von Ultraschall prüft und diese als »in Ordnung« oder »auffällig« klassifiziert. Das ist ein aufwendiger Prozess. Künftig soll dieser Vorgang KI-basiert unterstützt werden, indem die KI die Güte der Schweißpunkte anhand von bestimmten Prozessparametern bewertet und so eine Vorauswahl an auffälligen Punkten zur Prüfung per Ultraschall vorschlägt.
Leitfaden für den sicheren KI-Einsatz im Produktionsumfeld
Die dritte und letzte Projektetappe hatte die Erarbeitung eines unternehmensspezifischen Leitfadens für den erfolgreichen und sicheren KI-Einsatz bei Audi als Ergebnis. Sein Aufbau orientiert sich am gängigen Entwicklungsprozess einer KI-Anwendung, das heißt, er geht von der Entwicklung des Anwendungsfalls über die Datennutzung und Modellentwicklung bis zum Einsatz des Modells.
»Mit dem Leitfaden vereinen wir aktuelle Forschungsergebnisse mit Best-Practices aus der KI-Anwendungsentwicklung und anstehenden Gesetzgebungs- und Regulierungsbestrebungen. So können wir Unternehmen eine Hilfestellung für die Entwicklung zuverlässiger KI-Lösungen geben«, erklärt Prof. Marco Huber, in dessen Abteilung Cyber Cognitive Intelligence am Fraunhofer IPA das Projekt bearbeitet wurde. Dafür nehmen die Autoren Bezug auf den im Entwurf vorliegenden EU AI Act, den »Leitfaden zur Gestaltung vertrauenswürdiger Künstlicher Intelligenz« des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS sowie auf das »Whitepaper Trusted Artificial Intelligence« des TÜV Austria.
Schließlich bezieht der Leitfaden auch das Feedback aus den Interviews mit dem Personal ein. »Für die Fachkräfte bei Audi ist es entscheidend, dass die Funktionsfähigkeit und die Sicherheit eines KI-Systems transparent gemacht werden«, fasst Janika Kutz, Leiterin des Teams »Public Service Innovation« beim KODIS des Fraunhofer IAO und Expertin für Technologieakzeptanz, die Interviewergebnisse zusammen. Audi hat so eine umfassende Empfehlung an der Hand, um die Einführung von KI in der Qualitätskontrolle oder auch in weiteren Produktionsprozessen erfolgreich zu gestalten. Somit ist das Unternehmen bestens aufgestellt, um die gesetzlichen Vorgaben für den Einsatz von KI-Anwendungen zu erfüllen, sobald sie in Kraft treten.
Wissenstransfer in Industrie und Forschung
Die allgemeinen, unternehmensunabhängigen Erkenntnisse aus dem Projekt nutzen die Fraunhofer-Fachkräfte zum einen als Grundlage für weitere Beratungsprojekte rund um KI für die Produktion. So können sie für Unternehmen jeder Größe ähnliche Leitfäden für alle KI-Anwendungen rund um den Produktionskontext erstellen. Zudem haben sie die Projektergebnisse in Abstimmung mit Audi auch im wissenschaftlichen Kontext als Paper veröffentlicht.