Die steigende gesellschaftliche Bedeutung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz schlägt sich auch als Wunsch nach einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der deutschen Automobilindustrie nieder. Bei der Entwicklung neuartiger, nachhaltiger Technologien und Produkte müssen die Entwicklerinnen und Entwickler eine Vielzahl an Abhängigkeiten berücksichtigen, zum Beispiel in Bezug auf die Produzierbarkeit, Recyclingfähigkeit, die Nutzungsweise oder das Geschäftsmodell – über alle Entwicklungs- und Lebenszyklusphasen hinweg.
Entsprechende Produkte werden ihr volles Potenzial erst entfalten, wenn ihre Vor- und Nachteile bezüglich ökonomisch-ökologischer Wirkungen durchdacht und im Kontext konkreter Geschäfts- und Vertriebsmodelle bewertet werden. Dies setzt voraus, dass Produktentwicklerinnen und -entwickler die Kreislauffähigkeit und Nachhaltigkeitsaspekte ihres Produkts bereits in einer frühen Entwicklungsphase bei geringem Produktwissen ganzheitlich bewerten können. Zur Unterstützung dieser Entscheidungen könnten zukünftig modellbasierte Prognosen entsprechender Produkt- und Wirksysteme eingesetzt werden und zu einer kreislauffähigen Produktgestaltung beitragen. Genau hier setzt das vom BMBF geförderte und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreute Forschungsprojekt »Modellbasierte Entscheidungsunterstützung zur proaktiven sowie Lebenszyklus-gerichteten Entwicklung von Fahrzeug-Komponenten CYCLOMETRIC« an. Ziel des Vorhabens ist es, einen Prototyp für ein Wissens- und Entscheidungstool zu erforschen, konzipieren und zu erproben. Neben dem projektleitenden Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO sowie dem kooperierenden Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart sind zahlreiche weitere Projektpartner aus Industrie und Forschung beteiligt.
Exemplarische Bauteilentwicklung für Transfer in industrielle Anwendung
Mithilfe eines Tools sollen Produktentwickelnde bereits während des Gestaltungsprozesses interaktiv und unmittelbar Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge erhalten, die Auskunft über Auswirkungen ihrer Gestaltungsentscheidungen (wie z.B. Modularisierung, Materialwahl) auf ökonomische und ökologische Nachhaltigkeits- und Kreislaufaspekte geben. Um die Transfermöglichkeiten der Ergebnisse in die industrielle Anwendung sicherzustellen, wird das Projektkonsortium begleitend zur Entwicklung und Evaluierung des Tools eine exemplarische Bauteilentwicklung durchführen. Als Anwendungsfall dient eine auf Faserverbundmaterial basierende leichte sowie smarte Mittelkonsolenverkleidung für einen Pkw. Im Mittelpunkt steht dabei insbesondere die Untersuchung des nachhaltigkeitsbezogenen Trade-Offs der Materialwahl und Komponentengestaltung über mehrere Lebenszyklusphasen hinweg. Außerdem soll eine an die Industrie angepasste Vorgehensweise entwickelt werden, wobei prozessuale Aspekte der Produktentwicklung und der Entscheidungsfindung als auch informationsorientierte Aspekte berücksichtigt werden.
Das Expertenteam des Fraunhofer IAO widmet sich der Digitalisierung der Produktentwicklung. Dabei werden auch Forschungsansätze des Advanced Systems Engineerings (ASE) und des dazugehörenden Model-based Systems Engineerings zum Einsatz kommen. Hierfür entwickeln die Forschenden ein Metamodell für eine kreislauforientierte Beschreibung der Produktarchitektur und eine Methode für das kreislauforientierte Engineering. Das kooperierende Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart soll ein methodisches Vorgehen zur vorausschauenden und durchgängigen, kreislauforientierten Produktgestaltung entwickeln und dieses, zusammen mit dem Metamodell der Produktarchitektur, in ein Software-Werkzeug zur Entwicklungsunterstützung implementieren. Dieses wird zusätzlich durch ein konzeptionell und technisch anzubindendes Analysemodul für nutzungsabhängige Geschäftsmodelle komplementiert.
Anwendungspotenzial für andere Branchen
Das Verbundprojekt CYCLOMETRIC wird durch die Fördermaßnahme »Auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität durch kreislauffähige Wertschöpfung (MobilKreis)« im Rahmen des Förderprogramms »Zukunft der Wertschöpfung« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (FKZ: 02J21E030-8). Ziel des Programms ist es, Wertschöpfung und Wohlstand in Deutschland in Einklang mit dem Erhalt des Planeten zu bringen, indem Forschung zur zukunftssichernden und nachhaltigen Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsweise erfolgt. Die angestrebten Projektergebnisse können aufgrund der Abstraktion des Grundmodells, des Unterstützungstools sowie dessen Analysemodule und Bewertungslogik auch auf andere Industrie-Felder übertragen werden. Nach einer halbjährigen Vorphase, in der erste Arbeiten durchgeführt und Erkenntnisse gesammelt wurden, startet das Projekt nun im Mai 2022 mit einem Kick-off-Meeting aller beteiligten Projektpartner und läuft bis Ende September 2024.
Beteiligte Projektpartner
- Fraunhofer-Institute für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO sowie für Bauphysik IBP
- Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT, Institut für Flugzeugbaut IFB sowie Institut für Akustik und Bauphysik IABP der Universität Stuttgart
- Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF)
- ESB Business School der Hochschule Reutlingen
- Schweizer Design Consulting GmbH
- Forward Engineering GmbH
- IILS Ingenieurgesellschaft für Intelligente Lösungen und Systeme mbH
- DXC Technology Deutschland GmbH
- Lotus Tech Innovation Centre GmbH
- Assoziierender Partner: ARENA2036 e.V.