Als der Unterricht durch COVID-19 plötzlich im Schulgebäude nicht mehr möglich war, wurde deutlich, dass es bundesweit sowohl an pädagogischen Konzepten für Online-Lernplattformen als auch an einer entsprechenden technischen Ausstattung mangelt. Zwar gab es Schulen, die von eigenständigen Konzepten und Lösungen profitieren konnten, doch Einzellösungen beeinträchtigen die Kompatibilität und sind für eine Kommune nicht wirtschaftlich. Doch wenn es darum geht, mehrere Schulen innerhalb einer Gemeinde beispielsweise an ein Glasfasernetz anzubinden, treffen unterschiedliche Interessen und Anforderungen von mehreren Akteuren aufeinander: Schulen, Stadtverwaltung, Bewohner*innen, Städteplanung und Internetanbieter. Was sich hier schon im kleineren Umfeld als komplexes Vorhaben erweist, gestaltet sich im Kontext Stadtentwicklung noch wesentlich schwieriger und umfassender. Doch Städte, Gemeinden und Landkreise stehen in Anbetracht von Ressourcenendlichkeit, Klimawandel und dem demographischen Wandel vor Herausforderungen, die ein aktives Handeln und vorausschauendes Planen erfordern. Dies betrifft aber durch die fortschreitende Digitalisierung neben der analogen auch die digitale Dimension, was Fragen rund um Steuerung, Partizipation, Datenhoheit, Nachhaltigkeit und Resilienz aufwirft. Hinzu kommt, dass durch die Digitalisierung und Verknüpfung unterschiedlicher Daten bislang getrennt gedachte Sektoren, wie u. a. Energie und Mobilität, zusammenwachsen. Deshalb bedarf es eines Gesamtrahmens und einer Moderation dieses Digitalisierungsprozesses.
Um Kommunen aller Größenklassen einen Überblick zu verschaffen, welche Handlungsfelder sie im Zuge der Digitalisierung beachten müssen, hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO gemeinsam mit dem DIN Deutsches Institut für Normung e. V. und weiteren Partnern Handlungsempfehlungen zu zehn Themenfeldern erarbeitet. Diese wurden im August in der »DIN SPEC 91387« mit dem Titel »Kommunen und digitale Transformation – Übersicht der Handlungsfelder« veröffentlicht. Zu den weiteren Partnern gehören sowohl Städte wie München (Initiator), Berlin, Hamburg und Köln als auch Unternehmen wie Volkswagen AG, Urban Software Institute GmbH, Cisco Systems GmbH, Arcadis Deutschland GmbH, Westnetz GmbH oder msg systems AG. Dabei war die Corona-Krise nicht der ausschlaggebende Impuls, wie Willi Wendt vom Fraunhofer IAO erklärt: »Als wir mit der Erstellung der DIN SPEC begonnen haben, konnten wir die Corona-Krise noch nicht vorhersehen. Aber jetzt treibt die Krise die Digitalisierung auf wirklich allen Ebenen des öffentlichen Lebens voran. Umso mehr freuen wir uns, dass wir damit direkt helfen und eine Orientierung geben können.«
Bundesweit gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen
Neben der Beachtung von politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen muss auch ein gesellschaftliches Umdenken und eine Bereitschaft zur Transformation entstehen. Deshalb kommt Kommunen in diesem Kontext eine entscheidende Schlüsselrolle zu, damit digitale Transformationsprozesse von der Gesellschaft auch akzeptiert werden. Sie müssen zu Innovatoren und Treibern des digitalen Wandels befähigt werden, denn in Städten, Gemeinden und Landkreisen treffen verschiedene Ausganglagen und Anforderungen zahlreicher städtischer Akteure aufeinander. Daher zählt es zu den wichtigsten Meilensteinen, zentrale Verwaltungsprozesse zu optimieren und zu digitalisieren sowie alle Akteure der Gesellschaft übergreifend einzubinden. Auf Basis der digitalen Agenda des Bundes haben die Verfasser*innen zehn thematische Handlungsfelder für Kommunen und Regionen identifiziert:
- Digitale Infrastrukturen
- Digitale Verwaltung
- Mobilität
- Bauen und Wohnen
- Energie, Umwelt
- Bildung, Gesundheit
- Wirtschaft
- Tourismus, Kultur und Freizeit
Zu jedem dieser Felder sind in der DIN SPEC konkrete Handlungsanweisungen zu finden sowie Hinweise, was es jeweils zu beachten gibt. So sind beispielweise zum Themenfeld Bildung Empfehlungen zur Aufrüstung der digitalen Infrastruktur durch Breitbandoptimierung, WLAN und digitale Lehrmittel zu finden und beim Themenfeld Energie zum Aufbau einer Smart-Grid-Infrastruktur im urbanen Umfeld. »Wir konnten hier besonders auf unsere Erfahrungen aus den Projekten der Digitalakademie@bw und der digitalen Zukunftskommunen@bw zurückgreifen. Dank der engen Kooperation mit Städten, Gemeinden und Landkreisen in Baden-Württemberg haben wir umfangreiche Erkenntnisse und Einblicke gesammelt, wie sich digitale Innovationen tatsächlich in die kommunale Praxis übertragen lassen«, so Willi Wendt.
Impulse für Digitalisierungsstrategien aus Kommunen vereinen
Im Themenfeld Gesundheit werden Pilotprojekte aus verschiedenen Regionen aufgezeigt. Eines davon ist das das Projekt »MONA« (kurz für »mobile netzwerkmedizinische Assistenz«) in Bad Kissingen, das den Einsatz von Telemedizin und Elektromobilität im ambulanten Bereich vereint und testet. So kann der ambulante Pflegedienst Vitaldaten von Patientinnen und Patienten über eine gesicherte Verbindung direkt an die behandelnde Arztpraxis weiterleiten. Dieses und weitere Projekte zeigen, dass vielerorts die Chancen der Digitalisierung bereits erkannt und nutzbringend eingesetzt werden. Um aus einzelnen Best Practices gemeinsame Blaupausen für Bund und Länder zu entwickeln gilt es nun, die bestehenden Initiativen, Strategien, Maßnahmen und Projekte zu vernetzen. Dabei ist insbesondere die Politik und die Legislative, mit Unterstützung durch technische Kompetenz der Wirtschaft und Wissenschaft gefragt.