Die Herausforderungen, vor denen Städte und Kommunen momentan stehen, sind vielfältig: Auf der einen Seite wünschen sich Bürgerinnen und Bürger einfache Prozesse und weniger Bürokratie, auf der anderen Seite üben Gemeinden und Landkreise im Bereich Klimaschutz und Energieeffizienz eine Vorbildfunktion aus und müssen gleichzeitig gesetzlichen Vorgaben gerecht werden. Wie kann es gelingen, beide Herausforderungen gleichzeitig zu stemmen? Um Antworten und Lösungsansätze auf diese Frage zu entwickeln, hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Kooperation mit der digitalakademie@bw bereits im Jahr 2016 die Morgenstadt Werkstatt ins Leben gerufen. Ziel der Austauschplattform ist es, verschiedene Akteure aus Städten und Kommunen zu vernetzen, damit diese gemeinsam den Weg in eine nachhaltige und digitale Zukunft ebnen.
Innovation, Interaktion und Information – dieser Dreiklang prägte die 8. Auflage der Morgenstadt Werkstatt NEO auf dem Bildungscampus in Heilbronn. Bürgermeister Andreas Ringle erklärte in seiner Begrüßung, wie Heilbronn es mit KI-Lösungen schaffen möchte, die »European Green Capital 2026« und damit grüne Hauptstadt Europas zu werden. Thomas Strobl, stellvertretender Ministerpräsident und Minister des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen des Landes Baden-Württemberg und Schirmherr der Veranstaltung betonte in seinen Grußworten, dass KI und Digitalisierung kein Selbstzweck wären, sondern Bürgernähe und Transparenz ermöglichen sollten. Prof. Oliver Riedel, Institutsleiter des Fraunhofer IAO, ordnete die aktuellen Entwicklungen rund um ChatGPT und globale Megatrends wie die Hyper-Urbanisierung wissenschaftlich ein und verdeutlichte die Bedeutung von Daten für die Zukunft der Wertschöpfung. Steffen Jäger, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg, forderte dazu auf, die eigene Komfortzone zu verlassen, denn nur so könne der digitale Wandel gelingen.
Kreative Workshops und innovative Ausstellungen
In den folgenden Workshops konnten die Teilnehmenden Einblicke in vielfältige Beispiele digitaler Vorreiter nehmen: Vom digitalen Standortmarketing über KI-Chatbots oder KI-Lösungen für Wohnraumschaffung bis hin zu Technologien für kommunalen Klimaschutz. In den Pausen gab es Gelegenheit, die begleitende Ausstellung zu besuchen und sich dort über weitere Beispiele und Lösungen für digitales Arbeiten in der kommunalen Praxis auszutauschen.
Unterhaltsam, inspirierend und lehrreich war die Keynote von Cornélia Findeisen, Leiterin des Departments People & Talents im digitalen staatlichen Sektor Frankreichs. Sie verdeutlichte, dass man als Führungskraft viel loslassen und auf den Kopf stellen muss, um disruptive Veränderungen herbeizuführen. Um Disruption ging es auch in dem Vortrag von Prof. Holger Simon, Geschäftsführer der Pausanio Akademie. Er veranschaulichte, wohin die digitale Reise noch gehen könnte und ermunterte dazu, mit einem »Digital Mindset« die Veränderungen anzugehen und neue Dinge mutig auszuprobieren.
Deutschland als Experimentierraum?
Ausprobieren und auch mal Scheitern dürfen – das war auch der Grundtenor der abschließenden Podiumsdiskussion mit dem Titel »Regulatory Sandboxes – Welche Kreativ- und Experimentierräume braucht das Länd?«. Matthias Pröfrock, Leitender Ministerialrat bei Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Kommunen, wünschte sich sogar, dass ganz Deutschland zu einem großen Experimentierraum werden könnte und sprach damit Prof. Dr. Vanessa Borkmann, Leiterin des Forschungsbereichs »Stadtsystem-Gestaltung« am Fraunhofer IAO, aus der Seele. Sie sagte: »Jede Hürde, die zu nehmen ist, bedeutet eine Verzögerung auf dem Weg in die Zukunft«. Zudem sprach sie sich dafür aus, nicht nur groß zu denken, sondern auch kleine Use Cases umzusetzen, die skalierbar sind. Lena Tilebein, Geschäftsführerin der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Baden, forderte mehr Standards, damit Lösungen in der Breite anwendbar werden und Philipp Stolz, Leiter der Stabsstelle Digitalisierung der Stadt Schorndorf, wünschte sich eine gesunde Fehlerkultur und Freiheiten für Verwaltungen.
Als Fazit des intensiven Vernetzungsevents mit vielen Impulsen und Ideen lässt sich zusammenfassen: Veränderung braucht Mut, Willen und Ausdauer. Oft genügt eine Person mit einem »digitalen Mindset«, um Veränderungen anzustoßen – und jeder und jede kann sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten eine »Sandbox« erschaffen, um in kleinen Schritten den Weg zu großen Veränderungen zu ebenen.