Leerstehende Gebäude, geschlossene Läden, Restaurants und Museen. Die COVID-19-Pandemie hat offengelegt und beschleunigt, was sich schon lange abzeichnet: Innenstädte und öffentliche Räume als zentrale Orte unserer Gesellschaft unterliegen schon seit längerer Zeit einer umfassenden und kontinuierlichen Transformation. Historisch betrachtet haben diese eine immense Bedeutung für alle Bürger*innen, da sie als Multifunktionsorte verschiedene Ebenen verbinden: sozialer Austausch, Handel, Kommunikation, politische Partizipation, öffentliche Diskurse, Verkehr und Freizeit. Während der Krise zeichnete sich ein deutlich eintönigeres Stadtbild ab, was die Frage aufwirft, wie Innenstädte und öffentliche Räume nach der Pandemie aussehen werden, auch mit Blick auf Klimawandel und Digitalisierung? Noch prägt der stationäre Einzelhandel die innerstädtischen Zentren, doch haben sich die Bedürfnisse und Ansprüche der Gesellschaft an eine lebenswerte und zukunftsfähige Stadt inzwischen verändert. Das zeigt die empirische Szenariostudie »#ELASTICITY. Experimentelle Innenstädte und öffentliche Räume der Zukunft« der Innovationspartnerschaft »Innenstadt 2030+ | Future Public Space« aus der Fraunhofer-Initiative Morgenstadt. Um einen umfassenden Überblick zu Bedarfen und Vorstellungen für die Gestaltung innerstädtischer Räume und Flächen zu erhalten, hat das Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO gemeinsam mit GfK eine repräsentative Bevölkerungsumfrage sowie eine qualitative Kommunalbefragung in Deutschland durchgeführt. Demnach äußerten 72 Prozent der Bürger*innen den Wunsch nach umfassenden Veränderungen in den Innenstädten.
Die Frage, wie Innenstädte revitalisiert und wieder an Bedeutung gewinnen können, kann folglich nur gelöst werden, wenn eine Alternative zu aktuellen Stadtkonzepten entwickelt wird, die der Innenstadt zu neuer Vitalität und Multifunktionalität bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit verhilft. Die Studie zeigt Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten einer zukunftsorientierten Innenstadtentwicklung auf, um die strategische Transformation öffentlicher Räume vorausschauend zu gestalten. Dafür wurden neben der wissenschaftlichen Entwicklung des Leitszenarios »#ELASTICITY« strategische Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Innenstädtische Belebung und Aufwertung müssen ganzheitlich betrieben werden
Für die Zukunft sind ineinandergreifende Innovationskonzepte nötig, welche die Bereiche Wohnen, Handel, Mobilität, Logistik und Gestaltung des urbanen Raums ganzheitlich betrachten und die sich durch Flexibilität sowie Abwechslungsreichtum auszeichnen. »Innenstadtentwicklung darf nicht mehr in Silos gedacht werden«, erklärt Steffen Braun, Leiter des Forschungsbereichs Stadtsystem-Gestaltung am Fraunhofer IAO. »Die verschiedenen Segmente müssen zusammengedacht werden, um Synergieeffekte zu nutzen.«
Die Studie stellt belastbare und positive Entwicklungsperspektiven vor, wohin die Veränderungen der Innenstädte und öffentlichen Räume in den nächsten fünf bis zehn Jahren führen können. Dafür hat das Fraunhofer IAO gemeinsamen mit den Projektpartnern ein Leitszenario mit Zukunftsfeldern erarbeitet, das aufzeigt, wie zukunftsgewandte Innenstadtentwicklung entlang gesamtsystemischer Bedarfe aussehen kann. Die Leitvision vereint dabei einen demokratischen, spielerischen und experimentellen Blick auf die Innenstadt der Zukunft, in der urbane Räume zu nutzungsneutralen »elastischen Räumen« werden. Die Innenstadt der Zukunft knüpft aus Sicht der Forscher*innen an alle innerstädtischen Relevanzfelder (siehe Abbildung) an, um Innenstädte sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch und ökologisch nachhaltig zu gestalten und die Bedürfnisse aller Akteur*innen abzudecken.