5G birgt mit der neusten Mobilfunk-Technologie insbesondere für den Logistiksektor ein bisher ungenutztes Potenzial: Durch die hohe verfügbare Bandbreite für die Datenübertragung kann eine zuverlässige und datenintensive Steuerung von Geräten und Fahrzeugen auch über große Distanzen hinweg problemlos erfolgen – und das in Echtzeit. »Die hohe Leistungsfähigkeit von 5G stellt vor allem für die Industrie- und Transportunternehmen im Land eine große Chance dar«, erklärt Projektleiter Patrick Ruess vom Fraunhofer IAO. »Mit der Digitalisierung in der Logistik werden Prozesse innovativer: Durch eine höhere Automatisierung beim Be- und Entladen können Standzeiten verringert und Lieferketten effizienter gemacht werden. In unserem Forschungsprojekt möchten wir untersuchen, wie und unter welchen Bedingungen 5G ein Innovationstreiber in der Logistik sein kann.« Die Konzeptentwicklung zu dem 5G-Projekt startete bereits im März 2020. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO bewarb sich dabei gemeinsam mit dem eng kooperierenden Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart, dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS, dem Telekommunikationskonzern NOKIA und dem Schwabenbund als Projektinitiator auf das öffentlich geförderte Projekt des Bundesverkehrsministeriums für innovative 5G-Anwendungen. Ziel des Projekts ist es, verschiedene Anwendungsmöglichkeiten und Voraussetzungen von 5G-Architekturen in der Logistik zu erproben. Im September 2021 erhielt das Projektkonsortium den Zuschlag.
Testgebiet unter Realbedingungen in Bayern und Baden-Württemberg
Im Zeitraum zwischen September 2021 und August 2024 ist die Umsetzung von zwei konkreten Anwendungsfällen geplant: Zunächst erfolgt der Aufbau einer beweglichen Roboterplattform, in die ein 5G-Modul zur Steuerung integriert wird, um Prozesse innerhalb der Produktionslogistik evaluieren zu können. Diese Plattform wird anschließend in der realen Unternehmensumgebung erprobt. Das Unternehmen NOKIA stellt zu diesem Zweck bei einem Umsetzungspartner die notwendige 5G-Infrastruktur in Form eines Campus-Netzes bereit.
In einem weiteren Anwendungsfall wird der Einsatz von 5G in unterschiedlichen Be- und Entladungsszenarien erprobt. Besonderer Fokus liegt hier auf dem automatisierten Rangieren von LKWs und dem automatisierten Ladevorgang im Zusammenspiel mit den zuvor entwickelten Flurförderfahrzeugen, unterstützt durch 5G Lokalisierung. Konkret will das Forschungsteam hierbei auch die wichtigsten Indikatoren und Rahmenbedingungen für einen operativen Betrieb ableiten sowie die erforderliche Genauigkeit und die Verteilung von Antennen ermitteln, die für eine effiziente 5G-Positionierung in der Logistik notwendig sind.
Auf Basis der im ersten Projektschritt entwickelten Bewertungsgrundlage soll die Effizienzsteigerung durch den Einsatz von 5G entlang der Logistikkette sichtbar gemacht werden. Das Projektkonsortium kann für diesen Anwendungsfall auch auf das bestehende Nokia On-Air-Testfeld zurückgreifen, das eine Funknetzabdeckung in Teilen der Stadt Ulm, der Stadt Neu-Ulm und einem kleinen Bereich des Alb-Donau-Kreises anbietet.
Kriterien zur industriellen Anwendung für kleine und mittlere Unternehmen ableiten
In erster Linie richtet sich das Projekt an kleine und mittelständische Betriebe und geht über die reine technische Entwicklung hinaus, wie Simon Klose vom Fraunhofer IIS betont: »Ziel des Projekts ist es auch, ein Tool für Unternehmen zu entwickeln, mit dem sie durch die Eingabe eigener Unternehmensdaten bereits im Vorfeld abschätzen können, ob sich die 5G-Einführung in ihrem Betrieb lohnt.« Doch auch für die Grundlagenforschung bedeutet die Studie einen großen Fortschritt: Als eine der wenigen Feldstudien mit einem großen Testgebiet unter Realbedingungen sollen die Ergebnisse als wissenschaftlich fundierte Basis für weiterführende Studien in der industriellen Anwendung von 5G dienen. Ein weiteres Projektziel ist es, die gewonnenen Erkenntnisse so aufzubereiten, dass Kriterien zur (inter-)nationalen Nutzung von 5G in der Logistik abgeleitet werden können. Initiator des Projekts ist der Schwabenbund – ein Verbund aus Politik und Wirtschaft, der sich für die länderübergreifende Zusammenarbeit im schwäbischen Grenzraum zwischen Bayern und Baden-Württemberg einsetzt. Für Werner Weigelt, Geschäftsführer des Schwabenbunds, bietet das Projekt eine weitere Gelegenheit, die Wettbewerbsfähigkeit der Region und das vernetzte Miteinander zu fördern: »Als einer der bundesweit prosperierendsten Räume außerhalb von Metropolregionen möchten wir mit dem Projekt den Fokus auf den gezielten Austausch und Transfer zwischen den Akteuren in einem Zukunftsthema lenken. Mit ›Grenzenlos5G@BYBW‹ wollen wir zeigen: Wir im Süden sind nicht nur verlässlich, sondern auch innovativ.«
Am 18. November 2021 erfolgte die offizielle Übergabe der Zuwendungsurkunde für das »Grenzenlos 5G«-Projekt durch den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer. Die ersten Zwischenergebnisse des Projekts werden im Frühjahr 2023 erwartet.