Schrittzähler auf dem Smartphone, Fitnessarmbänder oder Smartwatches mit Pulsmessfunktion – Geräte und Dienstleistungen zur digitalen Selbstvermessung sind im privaten Gebrauch mittlerweile weit verbreitet. Durch die umfangreich erzeugten Daten ergeben sich aber nicht nur Chancen für den Nutzer*innen, sondern auch für das Gesundheitswesen, die medizinische Forschung und Betreuung. Mithilfe dieser Daten könnten beispielsweise Ärzt*innen und Therapeut*innen ihre Patient*innen zielgerichteter, schneller und individueller behandeln. Viele Krankenkassen fördern bereits die Nutzung solcher Selbstvermesser. Die über die smarte Anwendung erfassten Gesundheitsdaten werden üblicherweise verarbeitet und weitergegeben. Die Nutzer*innen stehen hier jedoch vor einer unklaren Informationslage: Welche Daten werden zu welchem Zweck erhoben und an wen werden diese weitergegeben? Zwar verfügen die Nutzer*innen aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung über umfangreiche Rechte hinsichtlich ihrer personenbezogenen Daten, doch in der Praxis zeichnet sich ein anderes Bild ab, wie Uwe Laufs, Forscher am Fraunhofer IAO und Projektleiter von TESTER, erklärt: »Wesentliche Hürde für einen selbstbestimmten Umgang mit Daten aus der Selbstvermessung sind nicht fehlende Rechte des Einzelnen, sondern fehlende Transparenz und die praktischen Probleme dabei, diese auch wahrzunehmen. Hier soll das Projekt TESTER einen wichtigen Beitrag leisten«.
Wie also können Selbstvermessungssysteme und Verarbeitungsprozesse so gestaltet werden, dass Nutzer*innen sich ausreichend informiert und handlungsfähig fühlen, wenn es um die Verarbeitung ihrer besonders sensiblen Selbstvermessungsdaten geht? Im Verbundprojekt TESTER (kurz für »DigiTalE SelbsTvERmessung selbstbestimmt gestalten«) widmet sich das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO gemeinsam mit dem kooperierenden Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart sowie dem Fachgebiet Öffentliches Recht, IT-Recht und Umweltrecht der Universität Kassel und dem Praxispartner Actimi GmbH der Erforschung und Entwicklung eines Privacy-Assistenten. Dieser soll den selbstbestimmten Umgang mit Daten aus der Selbstvermessung unterstützen. Ziel ist es, ein bestmögliches Maß an Transparenz und Intervenierbarkeit für die Selbstvermessung zu schaffen, sowie die Bedürfnisse der Nutzer*innen zum Schutz ihrer Daten stärker in den Vordergrund zu rücken. Gefördert wird das Forschungsvorhaben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Motive der Nutzer*innen geben Aufschluss über Datentransparenz
Wie viele Informationen benötigen Nutzer*innen? In welchem Maß sollen Interventionen ermöglicht werden? Um eine bedarfsgerechte technische Unterstützung mit hoher Nutzerakzeptanz zu entwickeln, wird das Forschungsteam zunächst die unterschiedlichen Motive der Selbstvermessung sowie Präferenzen bezüglich der Transparenz der Datenverarbeitung über qualitative und quantitative Interviews erfragen. Außerdem unterstützen experimentelle Untersuchungen im Smart-Home-Labor des Fraunhofer IAO, in welchem Szenarien aus dem privaten Umfeld realitätsnah nachgestellt werden, bei der Erfassung des Nutzerverhaltens. Auf dieser Grundlage entwickelt das Forschungsteam anschließend geeignete Konzepte für den Privacy-Assistenten. Durch Verfahren aus den Bereichen Usability und User Experience sowie des maschinellen Lernens soll ein geeignetes User Interface entwickelt werden, das den Nutzer*innen ein optimales Maß an Transparenz ermöglicht. Zur Unterstützung der Intervenierbarkeit werden zudem geeignete Tools, wie z.B. Softwareschnittstellen für Anbietende, entwickelt. Mit der Integration des Privacy-Assistenten in eine medizinische Anwendung der Actimi GmbH soll der Datenschutz-Assistent im realen Softwareumfeld erprobt werden.
Rechtskonformität als Maßstab für Technikgestaltung
Im Projekt sollen Usability-Fragen von Transparenz und Intervenierbarkeit mit rechtlichen Aspekten zusammengeführt werden. »Gesundheitsdaten sind aufgrund ihrer Sensibilität rechtlich besonders geschützt«, sagt Prof. Dr. Gerrit Hornung, der an der Universität Kassel die rechtswissenschaftlichen Arbeiten verantwortet. »Nur durch eine frühzeitige Berücksichtigung rechtlicher Anforderungen kann eine zugleich interessensgerechte und rechtskonforme Gestaltung der technischen Lösungen gelingen.« Dazu werden nicht nur rechtliche, sondern auch soziale Fragen zur Transparenz und Intervenierbarkeit von Selbstvermesser*innen betrachtet. Um das Problem der Benachteiligung hinsichtlich ärztlicher Versorgung auszuschließen, fließen in die Entwicklung des Privacy-Assistenten auch gleichheitsrechtliche Aspekte ein. Schließlich werden rechtliche Anforderungen analysiert, deren Umsetzung den Nutzer*innen die Möglichkeit zur Individualisierung der Selbstvermessungssysteme entsprechend ihrer gesundheitsbezogenen Präferenzen ermöglichen.