Von der Klimaanlage über die Sitzverstellung bis hin zur Polsterung: Die Optionen für die Personalisierung von Fahrzeugen werden immer vielfältiger und das Geschäft mit der Individualisierung boomt. Möglich ist fast alles – doch welche Entwicklungen sind auch sinnvoll oder sogar gesundheits- und leistungsfördernd für die Insassen? Antworten auf diese Frage haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IAO mit der gemeinnützigen Forschungsgesellschaft bq.Labs im Rahmen des Leistungszentrums Mass Personalization im Innovationsprojekt »Light Ride« erforscht.
Im Fokus der Forschung: Personalisierung im öffentlichen Mobilitätsraum
Eines der Ziele des Leistungszentrums Mass Personalization ist es, die individuelle Mobilität durch Personalisierung zu optimieren und nachhaltiger zu gestalten. Im Mittelpunkt der Forschung steht die Frage: »Wie sehen die idealen Umgebungsbedingungen für den mobilen Menschen aus?« Der Fokus liegt dabei auf der Personalisierung im öffentlichen Mobilitätsraum, also z. B. ÖPNV-Haltestellen oder Fahrzeuginnenräume oder auf der Routenplanung. Im Projekt »Light Ride« konzentriert sich das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP auf Gesundheitsaspekte in Innenräumen von so genannten Ride-Hailing-Diensten, also Mobilitäts-Service-Fahrzeugen wie z. B. Uber oder Lyft, sowie in Bezug auf autonome Fahrzeuge höherer Automatisierungsstufen.
Experimenteller Nutzertest in San Diego liefert Basis für weitere Forschungen
Die Vision der Forschenden ist es, durch digitale und immersive Services – als frühen Ausgangsmarkt insbesondere im Luxussegment – den Fahrzeuginnenraum in eine mentale Auftankstation zu verwandeln. Sogenannte Atemarbeitssitzungen, bewusst angeleitete und durchgeführte Atemübungen, unterstützt durch ein immersives Lichterlebnis, sollen dabei helfen, Stress abzubauen, das Wohlbefinden der Passagiere zu fördern und den Fahrgast mit leistungssteigernder Lebensenergie aufzuladen. Unterstützung erhält das Team dabei von Filip Husta aus dem Fraunhofer IBP: »Wir beschäftigen uns intensiv mit Lichttechnologie in Gebäuden – diese Erfahrungen und Erkenntnisse nun auf die Gestaltung immersiver Fahrzeuginnenräume zu übertragen ist sehr spannend und kann eine völlig neue Passanger Experience ermöglichen.« Erste Nutzertests hat das Forschungsteam des Fraunhofer IAO gemeinsam mit bq.Labs im November 2023 in San Diego durchgeführt. Den Fahrzeugprototypen sowie die immersive Atemarbeit »PowerBreath« hat bq.Labs zur Verfügung gestellt, die technische Innenausstattung für die Lichterlebnisvisualisierungen die am Mobility Innovation Lab des Fraunhofer IAO umgesetzt wurden, hat das Forschungsteam mitgebracht und vor Ort direkt eingebaut. Die Erfassung von Daten erfolgte mittels einer Befragung vor und nach dem Experiment. Zusätzlich wurde während des Experiments die Gesundheitskennwerte der Teilnehmenden durch ein Wearable-Gerät (Wristband) überwacht. Parallel dazu hat das Forschungsteam durch Interviews und Beobachtungen des Experiments weitere Einblicke in das Verhalten der Teilnehmenden gewonnen.
Innovationsstrategien im Kontext der Mobilitätswende
»Insbesondere bei Produkten und Services, die ein so emotionales Thema wie Mental Health und Peak Performance bedienen, ist es erfolgsentscheidend, die potenziellen Nutzenden schon früh in der Entwicklung einzubeziehen« erklärt Franziska Braun, die das Lichtdesign im Fahrzeuginnenraum entwickelt hat. Die Herausforderung bestehe darin, ein ganzheitliches und authentisches Erlebnis zu schaffen, um die Akzeptanz der Innovation realistisch bewerten zu können. »Ich glaube, dass uns das mit dem Prototypen sehr gut gelungen ist«, resümiert Braun.
Die Untersuchung hat nicht nur Erkenntnisse über die technische Umsetzbarkeit geliefert, sondern auch Aufschluss über die sozialen und psychologischen Aspekte gegeben. »Jetzt haben wir die Grundlage für die weitere Forschung und Entwicklung von Innovationsstrategien im Bereich der Mobilität und personalisierten Wellness geschaffen« sagt Sebastian Stegmüller, Leiter des Forschungsbereichs »Mobilitäts- und Innovationssysteme« am Fraunhofer IAO. Er hält das Konzept für vielversprechend, sowohl für das individuelle Passagiererlebnis als auch als innovative Dienstleistung für Unternehmen im Mobilitätssektor. Sebastian Schelper, Gründer der gemeinnützigen Forschungsgesellschaft bq.Labs, hat aus über zwei Jahrzehnten Pionierarbeit in der Premium-Automobilindustrie die Erkenntnis gewonnen, dass der Erfolg von Mobilitätsinnovationen davon abhängt, an der Schnittstelle von Technologie, Gesellschaft und individueller Leistungssteigerung ganzheitliche Lösungen zu entwickeln, die mit dem Nutzende resonieren. Die Forschungskooperation von Fraunhofer IAO und bq.Labs dient dazu, diese »Solution-Market Resonance« so früh wie möglich mit Nutzenden in realistischem Umfeld und Forschungsarbeit im Labor zu testen und zu validieren.