Das Kfz-Gewerbe und seine Mitarbeitenden müssen sich verstärkt auf neue Antriebsvarianten, veränderte Vertriebsmodelle und digitale Arbeitsweisen einstellen. Wie verändern sich Beschäftigung, Arbeitsvolumen und Jobprofile konkret? Die neue Studie »Beschäftigungseffekte im Kfz-Gewerbe 2030/2040« liefert Antworten und Handlungsempfehlungen, die heute (31.01.2023) in der Zukunftswerkstatt 4.0 in Esslingen und digital vorgestellt werden.
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus zur Studie: »Mit 78 000 Beschäftigten in Baden-Württemberg und weit über 400 000 Mitarbeitenden in Deutschland ist das Kfz-Gewerbe ein zentraler Zweig unserer Wirtschaft. Deshalb ist es mir seit Beginn des Strategiedialogs Automobilwirtschaft BW ein wichtiges Anliegen, das Kfz-Gewerbe beim Transformationsprozess mitzunehmen und zu unterstützen. Die Studie verdeutlicht den Handlungsbedarf.«
Beschäftigung schrumpft bis 2030/2040
Die neue Studie prognostiziert sowohl deutschland- als auch landesweit eine Abnahme der Beschäftigtenzahlen im Kfz-Gewerbe. Bis zum Jahr 2030 geht der Personalbedarf um etwa 18 Prozent von heute 435 000 (BW: 78 300) auf 356 000 (BW: 64 000) zurück. Bis 2040 werden rund 28 Prozent weniger Personen im Kfz-Gewerbe tätig sein (DE: 312 000; BW: 55 000). Am stärksten sind die Zentralabteilungen mit verwaltungsorganisatorischen Aufgaben bis zum Jahr 2040 (-36 Prozent) vom Rückgang betroffen. Auch in den Bereichen Handel (-34 Prozent) sowie Werkstatt und Teile (-24 Prozent) mit Mitarbeitenden in der Verkaufsberatung und Fachkräften für Kfz-Mechatronik werden die Beschäftigtenzahlen sinken.
Haupttreiber Digitalisierung und Elektrifizierung
Die zunehmende Fahrzeugdigitalisierung, die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, die Elektrifizierung des Antriebstrangs und veränderte Vertriebsmodelle sind hauptverantwortlich für den Wandel im Kfz-Gewerbe. So wird durch die Digitalisierung, die beispielsweise vorausschauende Wartung (»Predictive Maintenance«) ermöglicht, der Umsatz mit Reparaturen im Kfz-Gewerbe sinken. Auch viele interne Abläufe, um die sich heute noch Beschäftigte kümmern, werden durch die Digitalisierung entweder automatisiert oder ausgelagert. Infolge der Elektrifizierung sinken Wartungsumsätze, da die Fahrzeuge einfacher instandgehalten werden können, aber sie eröffnet auch die Möglichkeit, Beratung etwa zum Laden anzubieten. Um das eigene Geschäftsmodell neu auszurichten, fallen zudem hohe Investitionskosten an. Langfristig prognostizieren die Studienautoren vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und dem Institut für Automobilwirtschaft (IfA) daher, dass sich fabrikatsunabhängige Betriebe deutlich schwerer im Wettbewerb halten können und sich fabrikatsgebundene Betriebe vermehrt zusammenschließen werden.
Michael Ziegler, Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg e.V.: »Die Transformation im Kraftfahrzeuggewerbe greift tiefer und weiter als alles bisher Dagewesene. Dennoch standen bislang häufig nur die Automobilhersteller im Fokus, wenn es darum ging, diesen Veränderungsprozess zu begleiten. Mit der Studie ändert sich das. Sie benennt Ursachen und skizziert Bewältigungsstrategien, mit denen sich Autohändler und Werkstätten dem revolutionären Wandel unserer Branche stellen können.«
Bedürfnisse der Kundschaft in den Fokus setzen
Franz Loogen, Landesagentur e-mobil BW: »Der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft des Kfz-Gewerbes liegt im Kundenfokus. Den Betrieben muss es gelingen, sich den Bedürfnissen ihrer Kundinnen und Kunden bei Kommunikation und Interaktion anzupassen. Zum Beispiel mittels digitaler Fahrzeug- und Kundendaten individuelle Services anzubieten oder neben dem Elektrofahrzeug auch die Installation der Wallbox und der PV-Anlage zu vermitteln.«
Die Vermittlung innovativer Mobilitätsdienstleistungen und Ladeinfrastruktur kann einen neuen Tätigkeitsschwerpunkt in Autohäusern darstellen. Es gilt daher, sich über Zusatzleistungen und Beratungsservices vom Wettbewerb abzugrenzen. Dabei müssen bestehende Kundensegmente gesichert und neue erschlossen werden.
Neue Kompetenzen sind gefragt
Der Wandel im Kfz-Gewerbe führt unvermeidlich zur Veränderung klassischer Jobprofile, wie z.B. bei Fachkräften für Kfz-Mechatronik und in der Verkaufsberatung. Mitarbeitende müssen daher neue Kompetenzen erwerben. Erforderlich sind vor allem Hochvolt- und Softwarekompetenzen für die Arbeit an elektrifizierten, vernetzten und automatisierten Fahrzeugen. Auch die Customer Journey online abzubilden, vom ersten Kaufgesuch über den Pkw-Verkauf bis hin zu regelmäßigen Wartungen, erfordert die Weiterbildung der Mitarbeitenden im Bereich des Fahrzeughandels sowie Service.
Roman Zitzelsberger, IG Metall Baden-Württemberg: »Die vorliegende Studie zeigt, dass es dringend notwendig ist, alle von der Transformation betroffenen Segmente unter die Lupe zu nehmen. Kaum eine Teilbranche der Automobilwirtschaft steht so massiv unter Druck wie das Kfz-Handwerk. Unsere gemeinsame Initiative kam zum richtigen Zeitpunkt. Jetzt geht es darum, aus den Ergebnissen konkrete Maßnahmen für die Menschen und Betriebe abzuleiten.«