In der Landwirtschaft sind die Folgen des Klimawandels mit der Tendenz zu unbeständigem Wetter und langanhaltenden Temperaturextremen bereits heute spürbar und sorgen für Zukunftsängste bei den Betreibenden. Das Anbauen von Ackerkulturen und Gehölzen auf einer gemeinsamen Bewirtungsfläche wird als »agroforstliche Landnutzung« bezeichnet und kann diesen Entwicklungen entgegenwirken. Denn die Bäume schützen das Getreide nicht nur vor Wind, sondern bieten auch neuen Lebensraum für Tiere und eine weitere wirtschaftliche Einnahmequelle. Mit dieser Thematik befasst sich auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und initiierte im Jahr 2015 das Forschungsprojekt AUFWERTEN (kurz für »Agroforstliche Umweltleistungen für Wertschöpfung und Energie«). Ziel der gleichnamigen Innovationsgruppe aus Wissenschaft, Verwaltung, landwirtschaftlichen Betrieben, Dienstleistungsunternehmen und Interessenverbänden ist es, ein ganzheitliches Innovationskonzept für nachhaltige agroforstliche Landnutzung zu entwickeln. Zur Abschlusskonferenz des Projekts hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO die Studie »Roadmap Agroforstwirtschaft – Bäume als Bereicherung für landwirtschaftliche Flächen in Deutschland« veröffentlicht.
Die Etablierung von Agroforstsystemen ist mit vielen Herausforderungen verbunden
In Deutschland gehört die Agroforstwirtschaft aktuell noch zu den wenig angewandten Landnutzungsmethoden. »Anders als in technischen Umfeldern, in denen die Attraktivität des Produkts maßgeblich die Innovationsstärke im Markt beeinflusst, hängt im Fall von Agroforstwirtschaft die Innovationskraft von nicht-technischen Randbedingungen, teils fachfremden Entscheidern, politischen Hürden und kulturellen Faktoren ab. Die offensichtlichen Vorteile von Agroforstsystemen sind vielen Entscheidungsträgern nicht bekannt oder gehen in der Vielfalt der Konkurrenzthemen unter«, erklärt Georg Nawroth vom Fraunhofer IAO die Situation. Auch Christian Böhm, Projektleiter der Innovationsgruppe AUFWERTEN, sagt: »Für eine verstärkte Umsetzung von Agroforstwirtschaft müssen Lösungen auf vielen Wirkungsebenen gleichzeitig gefunden werden. Zu den zentralen Hürden gehört aktuell noch die fehlende Berücksichtigung dieses Landbausystems im deutschen Agrarförderrecht. Damit es bald mehr Agroforstflächen gibt, braucht es Mut und Engagement – sowohl seitens der Landwirte, aber auch seitens der politischen Entscheidungsträger.«
Gerade für Beschäftigte in der Landwirtschaft ist die Umstellung von dem konventionellen zum agroforstlichen Landwirtschaftsbetrieb mit einigen Herausforderungen verbunden wie Thomas Domin, Landwirt aus Peickwitz und Mitglied der Innovationsgruppe, erklärt: »Das ist eine schwierige und nicht zu unterschätzende Entscheidung, die nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich bringt. Da die Agroforstwirtschaft kein anerkanntes Landbausystem ist und derzeit noch nicht über die Agrarpolitik der EU gefördert wird, bekommen Landwirte die ihren Betrieb nachhaltig und agroforstwirtschaftlich nutzen wollen, keinen Ausgleich für eventuelle Verluste und Umstellungskosten, die zum Beispiel bei der Anlage von Baumstreifen, Baumgruppen oder Hecken entstehen.« Für diese und weitere Hindernisse liefert die Roadmap konkrete Handlungsoptionen und Maßnahmen sowie wichtige Trends, um die agroforstwirtschaftliche Landnutzungsmethode voranzutreiben und die entsprechenden Voraussetzungen für die Umsetzung in Deutschland zu schaffen.
Roadmap und Innovationskonzept als Grundlage für weitere Entscheidungen
Die Roadmap steckt als elementarer Bestandteil des Innovationskonzepts den Zeithorizont zur Erreichung wichtiger Maßnahmen und Ziele ab. Diese Maßnahmen betreffen unterschiedliche Akteure wie landwirtschaftliche Betriebsverbünde, Kommunen, Ministerien oder auch Verbände. Maßgeblich für die erfolgreiche nachhaltige Gestaltung der deutschen Landwirtschaft sind politische sowie wirtschaftliche Entscheidungstragende, die das vielfältige Potenzial der Agroforstwirtschaft unterstützen und sich für multifunktionale Landbausysteme einsetzen. »Durch die Roadmap wollen wir einerseits sachlich über Agroforstsysteme informieren und öffentliche sowie politische Aufmerksamkeit erlangen. Andererseits wollen wir auch ein erstes Konzept erarbeiten, um eine schon bekannte Landnutzungsform zu einer Innovation zu machen. Damit ist gemeint, dass die Vorteile von Agroforstsystemen zum besserem Schutz für die Umwelt genutzt werden, aber auch gleichzeitig aus wirtschaftlicher Sicht interessant sind. Wir wollen wesentliche Impulse geben, die den Stein für die Etablierung von Agroforstsystemen bei den Entscheidungsträgern selbstständig ins Rollen bringen. Dafür ist jetzt die inhaltliche Struktur gegeben, wissensbasiert die nächsten Schritte anzugehen und auf die entsprechenden Experten zuzugehen.«, so Georg Nawroth.