Optimiertes Fahrvergnügen

Mobilität

Mehr als ein Transportmittel: Dr. Anna Pätzold, Bilal Khan und Dr. Chandan Kumar (v.l.) vor dem Lotus Eletre, in dem eine Reihe von KI-Anwendungen zum Einsatz kommen sollen.
© Aristidis Schnelzer
Mehr als ein Transportmittel: Dr. Anna Pätzold, Bilal Khan und Dr. Chandan Kumar (v.l.) vor dem Lotus Emeya, in dem eine Reihe von KI-Anwendungen zum Einsatz kommen sollen.

Wie könnten sich zukünftige Fahrzeuge vorausschauend an die Bedürfnisse der Insassen anpassen, um den Komfort zu erhöhen und begeisternde Fahrerlebnisse zu ermöglichen? Im Projekt »Proactive HMI« (HMI: Human-Machine Interface) werden moderne KI-Technologien eingesetzt, um das Fahrerlebnis zu personalisieren.

Die Sportwagenmarke Lotus steht bis heute für Leichtbau, Fahrspaß, Rennsporttradition, Innovation und ein unverwechselbares Design. Mit dem vollelektrischen SUV Eletre hat Lotus 2022 ein neues Kapitel der Firmengeschichte eröffnet. Es ist das erste Modell einer Reihe zukunftsweisender Lifestyle-Elektrofahrzeuge. Doch neben einer PS-starken Elektrifizierung soll zukünftig auch die Künstliche Intelligenz (KI) für einzigartige Fahrerlebnisse sorgen.

Im Projekt »Proactive HMI« mit dem Forschungsbereich »Mensch-Technik-Interaktion« des Fraunhofer IAO wurden die neuesten Möglichkeiten des Maschinellen Lernens untersucht, um ein intelligentes und proaktives Fahrzeuginterieur zu schaffen. In den neuen Lotus-Modellen wird KI also dazu beitragen, das Fahrerlebnis auf vielfältige Art und Weise zu individualisieren. Dabei geht es um (Bedien-)Komfort und um Sicherheit gleichermaßen. Ziel ist es, Nutzerbedürfnisse und Fahrsituationen zu antizipieren, um möglichen Problemen vorzubeugen.

Kundenzentrierter Innovationsprozess

Um aus dem Automobil eine Maschine zu machen, die sich auf komplexe Weise auf Fahrende und Mitfahrende einstellt, braucht es neben Technikkompetenz einen menschzentrierten Innovationsansatz. »An dieser Stelle kommt das Fraunhofer IAO ins Spiel«, sagt Dr. Chandan Kumar, der das Team »Interaction Design and Technologies« am Fraunhofer IAO leitet und die Entwicklung neuer Anwendungen für Lotus leitet. Den Weg dahin beschreibt er als systematische Suche. »In einem ersten Schritt sammeln wir erste Ideen für attraktive KI-Funktionen«, so Kumar. »Dabei gehen wir zunächst von psychologischen Grundbedürfnissen wie Selbstverwirklichung, Kompetenz, soziale Verbundenheit oder Streben nach Luxus aus.« 

Die daraus abgeleiteten KI-Funktionen werden in kurzen Videosequenzen veranschaulicht, die wiederum als Grundlage für die erste Nutzerstudie im Interaction Lab des Fraunhofer IAO dienen. In moderierten Gruppendiskussionen bewerten potenzielle Kundinnen und Kunden die präsentierten Funktionen, berichten über eigene Erfahrungen, Nöte und Wünsche und kommen schließlich selbst ins kreative Schaffen. Sie bauen Lego-Modelle, halten ihre Gedanken auf Post-its fest und führen die Ideen der anderen so noch ein Stückchen weiter.

 

 

Gemeinsam werden wir vier Patente anmelden, die allesamt ohne moderne KI nicht denkbar wären.«

Dr. Anna Pätzold, Projektleiterin bei Lotus

»Die Arbeit mit den potenziellen Kunden ist für unsere Innnovationsarbeit unglaublich fruchtbar. Sicher ist nicht jede Idee der Teilnehmerinnen und Teilnehmer direkt umsetzbar. Interessant sind aber in jedem Fall die Wünsche und Bedürfnisse, die hinter den konkreten Ideen stecken. Damit können wir dann weiterarbeiten«, berichtet Kathrin Pollmann vom Fraunhofer IAO. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin moderiert sie die Fokusgruppen der Nutzerstudie.

Die Erkenntnisse der ersten Nutzerstudie bieten eine solide Grundlage, um die erfolgreichsten Funktionen auszuwählen und grundlegende Designentscheidungen zu treffen. Eine Erkenntnis ist zum Beispiel, wie wichtig den Probandinnen und Probanden der Schutz ihrer personenbezogenen Daten ist. Bei allem Komfort, den eine Vernetzung des Autos mit Handy- und anderen Daten bieten kann, ist es erfolgsentscheidend, wie sensibel das Design vorhandene Vorbehalte und Ängste von Nutzenden aufgreift.

In einem nächsten Schritt unternehmen Testpersonen eine »Tour« im Fahrsimulator des Fraunhofer IAO, in dem das künftige Human-Machine Interface (HMI) simuliert wird. Die Probandinnen und Probanden werden während der Interaktion beobachtet und befragt, um Anhaltspunkte für weitere Verbesserungen zu entdecken. Bis zum zweiten Nutzertest erfolgten ein Feinschliff des Designs und die technische Implementierung der intelligenten Funktionen.

Probefahrt: Das Team testet neue Funktionsweisen in einem Fahrsimulator.
© Aristidis Schnelzer
Probefahrt: Das Team testet neue Funktionsweisen in einem Fahrsimulator.
Bildschirm innerhalb eines Fahrzeugs auf dem ein Navigationsprogramm zu sehen ist. Man sieht, wie die Fahrerin des Autos darauf zeigt. Die Beifahrerin ist ebenfalls von hinten im Anschnitt zu sehen und blickt auf den Monitor.
© Aristidis Schnelzer
Im Projekts »Proactive HMI« soll ein intelligentes und proaktives Fahrzeuginterieur entstehen.

Patente für »Proactive HMI«

Bis die neuen Ideen in den neuen Lotus kommen, wird noch ein wenig Zeit vergehen. Zunächst freuen sich Dr. Anna Pätzold, Projektleiterin bei Lotus, und Bilal Khan, Lead Engineer bei Lotus, darüber, dass das Innovationsprojekt so viele erfolgversprechende Ideen erbracht hat – Ideen, die bald schon in konkreten Funktionen münden: »Gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO werden wir vier Patente anmelden. Allesamt Funktionen, die ohne moderne KI nicht denkbar wären«, sagt Pätzold.

Tatsächlich nutzt das »Proactive HMI« zahlreiche Technologien der Künstlichen Intelligenz von Sprachverarbeitung und Computer Vision bis hin zu verschiedenen Formen des Maschinellen Lernens und der Generativen KI. Auf diese Weise kann das System die Nutzerinnen und Nutzer des jeweiligen Fahrzeugs immer besser »kennenlernen« und so immer präziser auf individuelle Wünsche und Gewohnheiten einzelner Personen reagieren.

»Technisch ist heute fast alles möglich – natürlich braucht man immer Daten. Aber die größte Herausforderung ist es, Produktmerkmale zu entwickeln, die die Menschen wirklich begeistern. Dafür brauchen wir multidisziplinäre Zusammenarbeit und natürlich eine starke Nutzerbeteiligung« sagt Kumar. Und tatsächlich profitiert das Projekt von nahezu allen Kompetenzfeldern des Forschungsbereichs »Mensch-Technik-Interaktion«: von den KI-Technologien über die Fahrzeuginteraktion, das Design und die User Experience bis hin zur IT-Sicherheit.

 

Die größte Herausforderung ist es, Produktmerkmale zu entwickeln, die die Menschen wirklich begeistern.«

Dr. Chandan Kumar, Teamleiter »Interaction Design and Technologies« am Fraunhofer IAO 

Weitere Informationen

Forschungsbereich

Mensch-Technik-Interaktion

Technik ergonomisch und intuitiv gestalten, Digitalisierung sicher umsetzen, individuelle Nutzungserlebnisse entwickeln – das sind die Fokusthemen des Forschungsbereichs »Mensch-Technik-Interaktion«.

 

Aus dem Magazin »FORWARD

Dieses Feature ist Teil des Magazins 1/24 des Fraunhofer IAO in Kooperation mit dem IAT der Universität Stuttgart.