Arbeitshypothesen

Zukunft der Arbeit

© Meike Hansen
Volle Kraft voraus: Die Dachterrasse von New Work in der Hamburger HafenCity erinnert an das Oberdeck eines Kreuzfahrtschiffs.

Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Und wie wird das Büro von morgen aussehen? Im Projekt Office 21® untersucht das Fraunhofer IAO gemeinsam mit Unternehmen, wie Büroarbeit sich in Zukunft entwickelt – und was das für Unternehmen bedeutet.

 

Liegestühle, Palmen, ein schicker Holzboden und eine Reling als Geländer: Auf der Dachterrasse der New Work SE fühlt man sich wie an Deck eines Kreuzfahrtschiffs. Verstärkt wird der Eindruck von den echten Schiffen, die sich hier – in der Hamburger HafenCity – vorbeischieben. Und im Inneren des Gebäudes warten weitere Überraschungen: die »Kiezkneipe« für den entspannten Smalltalk. Das »Kaminzimmer« für intensive Gespräche. Und wer Ablenkung sucht, legt einfach ein paar Platten in der »Soundbar« auf oder spielt ein bisschen Gitarre im »Band Room«. Wird hier eigentlich auch gearbeitet?

Die Zahlen lassen das vermuten: 2021 betrug der Umsatz des Unternehmens, das Produkte und Dienstleistungen im Bereich Employer Branding und Recruiting anbietet, rund 290 Millionen Euro, das Konzernergebnis lag bei rund 40 Millionen Euro. New Work SE zählt 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, rund 1000 von ihnen arbeiten am Hauptsitz in Hamburg. Oder zumindest für den Hauptsitz, denn bei New Work ist der Name Programm: Ein großer Teil der Belegschaft arbeitet im Homeoffice, und so ist der neue Firmensitz mehr Begegnungsort als Arbeitsplatz. Hier tauscht man sich aus, schmiedet Pläne, trifft sich zu Meetings oder hängt, wenn das Hamburger Wetter es denn erlaubt, auch mal mit Kolleginnen und Kollegen auf dem Sonnendeck, Pardon, auf der Dachterrasse, ab. Alles ganz normal.

Gemeinsam lernen

»Der Besuch bei New Work in Hamburg war einer der Höhepunkte unserer Projektarbeit im vergangenen Jahr«, sagt Carina Müller vom Forschungsteam »Workspace Innovation« am Fraunhofer IAO. Und nennt gleich noch ein paar Highlights: den Besuch im »EDGE Olympic« in Amsterdam, einem weiteren Bürohaus der Zukunft. In der »Station F« in Paris, dem größten Start-up-Campus der Welt. Oder im vollvernetzten »House of Communications«, dem Sitz der Werbeagentur Serviceplan in München. Die Exkursionen sind Teil des Projekts Office 21®, in dem Vertreterinnen und Vertreter von derzeit 17 Unternehmen unter Leitung des Fraunhofer IAO gemeinsam die Arbeitswelt der Zukunft erkunden. Seit 2022, nach einer zweijährigen Corona-bedingten Pause, gehen die Teilnehmenden auch wieder gemeinsam auf Reisen zu innovativen Workspaces in Europa. »Solche Exkursionen können zu neuen Lösungen inspirieren«, sagt Müller. »Zugleich geht es auch darum, dass die Teilnehmenden im Rahmen einer solchen Reise miteinander ins Gespräch kommen und Erfahrungen austauschen.«

© Fraunhofer IAO
Arbeitsumfelder der Zukunft im Blick: Dr. Stefan Rief, Leiter des Forschungsbereichs »Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung«, sowie (v. l.) Alina Käfer und Carina Müller aus dem Team »Workspace Innovation« am Fraunhofer IAO.
Bettina Bloch vom Corporate Real Estate Management der Deutsche Bahn AG.
Claudia Bernklau, Leiterin Großprojekte und Changemanagement Arbeitswelten bei Deutsche Bahn Immobilien.

Es ist genau dieser Austausch unter Gleichgesinnten, den Bettina Bloch vom Corporate Real Estate Management der Deutsche Bahn AG so schätzt. »Das Netzwerk ist wie ein geschützter Raum, in dem ich mich über alle möglichen Themen rund um die Arbeitswelt austauschen kann.« Da ist der Vertreter von einem Konzern wie BMW, den vielleicht ganz ähnliche Fragen umtreiben wie sie selbst. Oder die Anbieter von Büromöbeln, Leuchten oder technischer Infrastruktur, die sich immer wieder den Veränderungen des Markts anpassen müssen. Und für die einen wie die anderen gilt: Wenn man einander zuhört, kann man gemeinsam Zukunft gestalten. Nie habe sie den Eindruck, dass ihr irgendjemand etwas verkaufen wolle, sagt Bettina Bloch. »Vielmehr geht es darum, gemeinsam zu lernen.« Das Beispiel Deutsche Bahn zeigt, vor welchen Herausforderungen gerade große Unternehmen in puncto Immobilienentwicklung stehen. So messen allein »DB Brick« und »DB Tower«, die beiden Neubauten der DB Personenverkehr, die 2020 in Frankfurt in Betrieb genommen wurden, insgesamt rund 54 000 Quadratmeter. Und die 2021 eröffnete Zentrale der DB Netz AG in Frankfurt umfasst weitere rund 43 000 Quadratmeter. »Macht allein an diesen drei Standorten rund 100 000 Quadratmeter neue Bürowelt, die der Arbeitswelt von morgen gerecht werden müssen«, sagt Claudia Bernklau, Leiterin Großprojekte und Changemanagement Arbeitswelten bei Deutsche Bahn Immobilien, die gemeinsam mit Bettina Bloch die Deutsche Bahn als Partner von Office 21® vertritt.

 

Kreativ Lösungen umsetzen

Doch wie hoch wird der Homeoffice-Anteil sein? In welchem Umfang wird Desksharing nachgefragt? Wie müssen Besprechungsräume ausgestattet sein? Und wie sollte man Büros gestalten? »Auf diese Frage gibt es nicht die eine Antwort«, sagt Claudia Bernklau. »Also müssen wir hier kreativ Lösungen umsetzen, die an sich wandelnde Anforderungen angepasst werden können.« Deshalb sei es so wichtig, verschiedene Perspektiven abzugleichen. Und deshalb sei das Projekt Office 21® so ein spannender Impulsgeber.

Office 21® umfasst aber noch mehr als den regelmäßigen Austausch im Netzwerk. Parallel dazu erarbeitet das Team des Fraunhofer IAO unter Projektleiter und Institutsdirektor Dr. Stefan Rief seit Jahren regelmäßig wissenschaftliche Studien, etwa zu nachhaltiger Bürogestaltung, digitaler Arbeit oder Raumpsychologie. 2020 erschien dann »Homeoffice Experience«, die erste groß angelegte Untersuchung der Folgen der Coronakrise. »Bis zum Lockdown war New Work eher ein Nischenthema«, sagt Rief. Doch dann musste sich die Wirtschaft quasi über Nacht neu organisieren – und plötzlich war jeder betroffen. »Uns war schnell klar, dass sich dieses Rad nicht zurückdrehen lassen wird«, so Rief. »Dass das Homeoffice bleibt.«

 

Szenarien hybrider Arbeit

Doch was folgt daraus? Wie wird sich Arbeit in Zukunft am effizientesten organisieren lassen? Welche Wünsche werden Arbeitnehmende künftig an ihren Arbeitgeber haben? Und was bedeutet das für die Gestaltung und Ausstattung des Büros der Zukunft? Mit Fragen wie diesen beschäftigen sich Stefan Rief, Alina Käfer, Carina Müller und ihr Team auch in ihrer jüngsten Studie »Beyond Multispace«, die 2022 erschienen ist. Darin haben sie unterschiedliche Szenarien von hybrider Arbeit von morgen entwickelt – und herausgearbeitet, was das für Büroimmobilien der Zukunft bedeutet. Ob die so aussehen werden wie der Sitz von New Work in Hamburg oder welche anderen Szenarien hier noch plausibel sind, interessiert auch Bettina Bloch und ihr Team. Ihr Vorteil: Als Partnerorganisationen von Office 21® erhalten sie Einblicke in die Studienergebnisse, bevor diese der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Weitere Informationen

 

Innovationsnetzwerk

Office 21®

Im Verbundforschungsprojekt erforscht das Fraunhofer IAO zusammen mit einem interdisziplinären Netzwerk aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Lösungsanbietern und vorausdenkenden Partnern aus der Industrie die heutige und zukünftige Entwicklung der Büro- und Wissensarbeit. 

 

Studie

Beyond Multispace

Die Studie »Beyond Multispace: Szenarien zu veränderten Anforderungen an Büroflächen und -immobilien im urbanen Umfeld bis 2030« kann unter folgendem Link kostenlos heruntergeladen werden:

 

Homeoffice Experience 2.0

Die Studie »Homeoffice Experience 2.0 - Veränderungen, Entwicklungen und Erfahrungen zur Arbeit aus dem Homeoffice während der Corona-Pandemie« kann unter folgendem Link kostenlos heruntergeladen werden.

 

Aus dem Magazin »FORWARD

Dieses Feature ist Teil des Magazins 1/23 des Fraunhofer IAO in Kooperation mit dem IAT der Universität Stuttgart.