Karrieresprungbrett fürs E-Handwerk

Elektromobilität

© Achim Schneider – iStock
Erntezeit: 2022 wurde der deutsche Bruttostromverbrauch zu 46 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt. 2030 sollen es 80 Prozent sein.

Die Elektrobranche verändert sich massiv, und der Bedarf an Fachkräften steigt. Das Fraunhofer IAO entwickelt und erprobt mit Partnern im Projekt BexElektro ein modulares Bildungsangebot, das Beschäftigten attraktive Aufstiegschancen bietet.

 

Das Ziel ist ambitioniert: 15 Millionen Elektroautos sollen in sieben Jahren über Deutschlands Straßen rollen, und damit sie das können, stehen dafür dann eine Million Ladepunkte bereit. Das hat sich die Bundesregierung für 2030 als Ziel gesetzt. Zum Vergleich: Heute sind in Deutschland etwa eine Million rein elektrisch betriebene Fahrzeuge unterwegs, und es gibt rund 66 000 Ladepunkte. Geplant ist somit eine Erhöhung um jeweils etwa das Fünfzehnfache. Damit diese Rechnung aber aufgeht, braucht es einen entscheidenden Faktor: den Menschen.

Denn Ladestationen bauen sich nicht von allein auf. Sie reparieren sich nicht von selbst, und ein Autofahrender, der seinen E-Wagen zu Hause laden möchte, bekommt die passende Wallbox nicht bei seinem Autohändler. Es muss also Menschen geben, die sich mit diesem Thema auskennen, einen sich schnell entwickelnden Markt im Blick behalten, Interessenten beraten können. Fachleute, die in der Lage sind, entsprechende Lösungen zu installieren, sie zu warten, zu reparieren, auszutauschen und bei Bedarf wieder abzumontieren.

Und das ist nur ein Beispiel für den wachsenden Bedarf an Expertinnen und Experten im Elektrohandwerk im Zuge der Energiewende. Hinzu kommt die Umstellung auf regenerative Energiequellen: 2030 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien kommen, vor allem aus Wind- und Sonnenkraft. Ein weiterer Baustein sind Gebäude, die künftig mit Wärmepumpen und Solaranlagen Energie produzieren oder als »Smart Homes« dank intelligenter Technologie Energie sparen können – oder gar beides. Entwicklungen, die deutlich machen, dass Deutschland an der Schwelle einer Elektrifizierung gigantischen Ausmaßes steht. Schon heute ist der Fachkräftemangel hier dramatisch,und wenn man dem nicht bald entgegenwirkt, wird die Energiewende auf sich warten lassen müssen.

Mitarbeiter für die Zukunft rüsten

Der Schlüssel für das Gelingen dieser Transformation liegt daher in der schnellen, gezielten Qualifizierung der Belegschaft. Hier setzt ein Weiterbildungsprogramm an, das Dr. Josephine Hofmann, Leiterin des Teams »Zusammenarbeit und Führung« am Fraunhofer IAO, gemeinsam mit ihrem Team und insgesamt neun Partnern, darunter Bildungs- und Technologieanbieter sowie Handwerksunternehmen, aktuell entwickelt und erprobt. Das Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Innovationswettbewerbs InnoVET gefördert wird, heißt Berufsexzellenz Elektromobilität, kurz: BexElektro, und soll Industrie- und Handwerksunternehmen dabei helfen, ihre Mitarbeitenden für dieses künftig so wichtige Aufgabenfeld zu rüsten.

Denn der kontinuierliche Qualifizierungsbedarf ist enorm. Eine Herausforderung für alle Beteiligten sind die immer schnelleren Entwicklungszyklen in der Elektro- und Technologiebranche. Zugleich stehen die Betriebe vor dem Problem, dass sie zwar ausgelastet sind, es dadurch aber verpassen, sich weiter zu qualifizieren. »Wir haben das in den Bedarfsanalysen beschrieben als Success-Desaster«, sagt Anna Hoberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Dr. Hofmanns Team. »Das heißt, der Erfolg führt dazu, dass man keine Zeit mehr hat, sich um den Erfolg von morgen zu kümmern.   Man läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren.« Es werde dann immer schwieriger, Beschäftigte im Handwerk zu halten, weil die Industrie mehr zahle.

© Fraunhofer IAO | Foto: Aristidis Schnelzer
Modulare Weiterbildung: Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom Team »Zusammenarbeit und Führung« war Anna Hoberg an der Entwicklung von BexELektro beteiligt.
Georg Thomas, Leiter Kompetenzcenter Technology bei der Heldele GmbH

Von der Teilnahme an so einem Programm profitieren nicht nur die Unternehmen, die dadurch wettbewerbs- und zukunftsfähig bleiben, sondern auch die Beschäftigten selbst, aufgrund der Aufstiegschancen. »Viele Handwerkerinnen und Handwerker, die sich weiterentwickeln wollen, kommen ab einem gewissen Punkt nicht weiter. Nach dem Meister war oft Schluss. Wir versuchen, mit dem Programm eine Brücke zu bauen und die Mitarbeitenden dazu zu befähigen, beruflich aufzusteigen und den damit verbundenen sozialen Status zu erlangen«, sagt Georg Thomas, Leiter Kompetenzcenter Technology bei der Heldele GmbH. Das in Salach bei Göppingen ansässige Unternehmen mit dem Schwerpunkt Gebäudetechnik ist einer der Projektpartner und lässt aktuell drei seiner Fachkräfte an dem Programm teilnehmen.

 

Inhalte aus der Praxis abgeleitet

Bei der Konzeption der neuen Qualifizierungsangebote stand im Fokus, die Inhalte aus der betrieblichen Praxis abzuleiten. Sie bauen auf den Fähigkeiten auf, die in einer elektro- und informationstechnischen Ausbildung vermittelt werden. Das gesamte Modulpaket  zur Geprüften Berufsspezialistin bzw. zum Geprüften Berufsspezialisten für Ladeinfrastruktursysteme etwa umfasst 540 Unterrichtseinheiten, die in 25 ganztägigen Blockveranstaltungen organisiert sind und im Wechsel mit Online-Tutorien und Selbstlerneinheiten stattfinden. Der Präsenzunterricht wird im Elektro- Technologie-Zentrum (etz) in Stuttgart angeboten, meist an Freitagen, vereinzelt auch an Samstagen. In dieser Zeit sind die Teilnehmenden von ihrer Arbeit freigestellt. Die übrigen Inhalte lassen sich zeit- und ortsunabhängig absolvieren, was Berufstätigen entgegenkommt, vor allem den Jüngeren, weil es ihrem Mediennutzungsverhalten entspricht. Die gesamte Qualifizierung dauert rund neun Monate. Darauf aufbauend sollen später zudem Fortbildungen zum Bachelor Professional und zum Master Professional angeboten werden. Je nach betrieblichem Bedarf oder individuellem Interesse können Teilnehmende aber auch einzelne Module der Qualifizierung besuchen, ohne direkt einen Abschluss anzustreben.

 

Erste Testphase angelaufen

Die erste Testphase für die Fortbildung zur Geprüften Berufsspezialistin bzw. zum Geprüften Berufsspezialisten für Ladeinfrastruktursysteme der Elektromobilität ist Ende Oktober 2022 angelaufen, die anderen Qualifizierungsangebote starten im Laufe des Jahres. 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchlaufen derzeit das Qualifizierungsangebot kostenfrei, die Plätze waren schon nach wenigen Tagen ausgebucht. »Wir begleiten das Programm eng und evaluieren es mit dem Ziel, davon zu lernen und die Angebote laufend zu verbessern«, sagt Anna Hoberg. Bisher sei das Feedback durchweg positiv, sowohl was Inhalte betrifft als auch die Kompetenz der Dozenten. Damit bleibt zu hoffen, dass sich dieses Programm etabliert und einen wertvollen Beitrag für das Jahrhundertprojekt »Energiewende« leisten kann.

Fortbildungsmöglichkeiten im Überblick

Der deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) ordnet auf insgesamt 8 Niveaus Berufs-, Fortbildungs- und Hochschulabschlüsse einem übersichtlichen, europaweit gültigen Stufenmodell (EQR) zu. Gleich drei Aufstiegsfortbildungen als Geprüfte Berufsspezialistin bzw. Geprüfter Berufsspezialist im Fachfokus Elektromobilität, erneuerbare Energie und Energiemanagement wurden bestätigt und damit auf die hohe Nachfrage nach Fachkräften in innovativen Geschäftsfeldern reagiert. Darüber hinaus setzen diese Angebote ein bedeutendes Zeichen in Richtung Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung.

  1. Geprüfte Berufsspezialistin / Geprüfter Berufsspezialist für Ladeinfrastruktursysteme der Elektromobilität (HWK Region Stuttgart)
    1. Hierbei werden das bereits vorhandene Wissen sowie die Fertigkeiten auf den Themengebieten Planen und Errichten von Ladeinfrastruktursystemen der Elektromobilität einschließlich ihrer Komponenten vertieft und erweitert.
  2. Geprüfte Berufsspezialistin / Geprüfter Berufsspezialist für Erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Energiemanagement (HWK Region Stuttgart)
    1. Dabei werden das bereits vorhandene Wissen sowie die Fertigkeiten auf den Themengebieten erneuerbare Energiequellen, Erhöhung der Energieeffizienz unter relevanten funktionellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertieft und erweitert sowie Kundenanforderungen beraten und angepasst.
  3. Geprüfte Berufsspezialistin / Geprüfter Berufsspezialist für Gebäudesystemintegration (HWK Region Stuttgart)
    1. Bei diesem Angebot werden das bereits vorhandene Wissen sowie die Fertigkeiten auf den Themengebieten Anlagen der Gebäudesystemintegration und Gebäudeautomation unter relevanten funktionellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertieft und erweitert sowie Kundenanforderungen beraten und angepasst.

Später lassen sich darauf aufbauend zwei weitere Stufen erreichen, der Bachelor Professional (DQR 6) und der Master Professional (DQR 7) im Themenfeld Elektromobilität und nachhaltige Energiesysteme. (Zur Erklärung: Diese Qualifikationen durchlaufen aktuell noch die jeweiligen Ordnungsverfahren).

Weitere Informationen

Über InnoVET

Für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt ist die berufliche Bildung das grundlegende Fundament, um dem zunehmenden Innovationsdruck standzuhalten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat deshalb den Förderschwerpunkt »InnoVET« – Innovationen für eine exzellente berufliche Bildung« auf die Agenda gesetzt, um berufliche Aus- und Fortbildung attraktiver und qualitativ hochwertiger zu gestalten. Insbesondere im Wettbewerb mit akademischer Bildung sollen in dieser Projektförderlinie Aus- und Fortbildungen über die Stufe 5 des Deutschen Qualifikationsrahmens DQR hinaus entwickelt werden, um an das Bachelor- und Mastersystem anschlussfähig zu sein.

Projektkonsortium

  • Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO
  • Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement der Universität Stuttgart IAT
  • Elektro Technologie Zentrum (etz)
  • Elektrobildungs- und Technologiezentrum e.V. Dresden (EBZ)
  • Bundestechnologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik e.V. (BFE)
  • Mennekes Elektrotechnik GmbH & Co. KG
  • PHOENIX CONTACT GmbH&Co.KG
  • Heldele GmbH
  • ELEKTRO DRESDEN-WEST GmbH
  • Meyer Technik Unternehmensgruppe
 

Aus dem Magazin »FORWARD

Dieses Feature ist Teil des Magazins 1/23 des Fraunhofer IAO in Kooperation mit dem IAT der Universität Stuttgart.