Die smarte Fabrik von morgen

Digitaler Wandel in der Produktion

© AUDI AG
Mehr als Roboterarme: Die Digitalisierung betrifft neben der Produktion auch die gesamte Supply Chain.
Das Ökosystem nutzen: Sebastian Reinisch, Leiter Delivery Management Digitalisierung Produktion bei der AUDI AG.

Die AUDI AG hat mit der AUTOMOTIVE INITIATIVE 2025 (AI25) ein Netzwerk gestartet, um mit vereinten Kräften den wichtigen digitalen Wandel im Werk voranzutreiben. Das Fraunhofer IAO ist mit dabei und unterstützt den Konzern darin, zukunftsfähige Lösungen für Produktion und Logistik zu entwickeln, diese zu erproben und umzusetzen.

 

Wie werden Autos künftig gebaut werden? Die kurze Antwort lautet: Anders als heute, sicher hochautomatisiert. Die lange ist vielschichtiger, aber um eines vorwegnehmen: Eine vollautomatische Fertigung ist unrealistisch. Menschen werden weiterhin in der Fabrik gebraucht, denn irgendjemand muss die Systeme zu bedienen wissen. Die Rolle des Menschen aber wird sich verändern, genau wie vieles andere.

Um den digitalen Wandel im Unternehmen voranzutreiben, suchte der Autohersteller Audi auch nach Impulsen von außen. Fündig wurde man in unmittelbarer Umgebung. »In der Region Heilbronn ist in den letzten zehn Jahren viel Neues entstanden«, sagt Sebastian Reinisch, Leiter Delivery Management Digitalisierung Produktion bei der AUDI AG. »Das Ökosystem, das hier heranwächst, ist eine Riesenchance, weil es Innovationen möglich macht, die einer allein nicht stemmen kann. Im Zusammenspiel industrieller, technischer und wissenschaftlicher Perspektiven aber lassen sich neue Lösungen entwickeln.« 

Und so startete der Konzern mit Partnern aus der Region die »Automotive Initiative 2025«, um wegweisende Lösungen für die Fabrik der Zukunft zu entwickeln und zu erproben, die später im gesamten Volkswagen-Konzern umgesetzt werden können. Das Fraunhofer IAO mit KODIS sowie die Technische Universität München (TUM) sind die wissenschaftlichen Partner, von den Technologie-Partnern XL2, Capgemini, AWS und SAP SE kommen die IT-Lösungen. Offizieller Start war der 30. April 2021.

Effiziente und flexible Strukturen

Deutsche Unternehmen sind unter Zugzwang. Einmal, weil neue Wettbewerber auf den Plan treten, die sich von Anfang an auf Software und Digitalisierung ausrichten können. Das verschafft ihnen Vorteile gegenüber Unternehmen, die ihre bestehenden Abläufe digitalisieren müssen. Gleichzeitig drängen Hersteller aus Ländern mit vergleichsweise niedrigen Lohn- und Energiekosten in den Markt. Hinzu kamen jüngst Probleme mit globalen Lieferketten sowie drohende Engpässe in der Energieversorgung, die weiteren Sand ins Getriebe der einst gut geölten Maschinerie streuten. Kurzum: Unternehmen brauchen effiziente, vernetzte und flexible Strukturen in Produktion und Logistik, um resilienter gegenüber solchen äußeren Einflüssen zu werden und flexibler auf unerwartete Situationen reagieren zu können.

Hier kommt die Expertise des Fraunhofer IAO ins Spiel: Das Institut erarbeitet gemeinsam mit Audi im Rahmen der AI25, in welchen Bereichen das Unternehmen aktiv werden muss, und gibt Impulse aus der Wissenschaft, etwa über neue, innovationsfördernde Formen der Zusammenarbeit oder über zukunftsweisende Technologien. »Es geht darum, das Unternehmen und seine Mitarbeitenden dazu zu befähigen, gute datenbasierte Entscheidungen zu treffen«, sagt Christian Blümel, Projektmanager am KODIS des Fraunhofer IAO.

Dafür entwickelten die Forschenden zunächst gemeinsam mit Konzernentscheidenden von Audi ein White Paper für eine erfolgreiche digitale Fabriktransformation. Wichtig dabei war eine ganzheitliche Perspektive: Es reicht nicht, nur die Technik im Blick zu haben und neue IT-Strukturen aufzubauen. Auch die Beschäftigten müssen miteinbezogen und weitergebildet werden, die Organisationsstruktur darf überdacht werden.

© Fraunhofer IAO
Ganzheitliche Perspektive: Christian Blümel, Projektmanager am KODIS des Fraunhofer IAO.

Leitfaden für Transformation

In einem ersten Schritt brauchte es eine gemeinsame Vision: Wohin wollen wir uns entwickeln, und warum ist das wichtig? Im Anschluss wurde das Thema »digital versierte Mitarbeitende« behandelt: Wie kann man die Belegschaft mit digitalen Technologien vertraut machen? »Das heißt nicht, dass künftig jeder programmieren können muss. Aber jeder Mitarbeitende muss geschult sein im Umgang mit Daten, die für seinen Arbeitsplatz relevant sind«, sagt Dr. Jens Neuhüttler, Leiter des Teams »Digital Service Transformation« am Fraunhofer IAO.

Von zentraler Bedeutung ist auch das Thema Datendurchgängigkeit innerhalb vernetzter Systeme. Ein Beispiel: Wenn ein Bauteil eines Zulieferers fehlt, kann eine gesamte Produktion ins Stocken geraten. Nun ließe sich die Wartezeit nutzen, um andere Teile zu fertigen. »Dafür muss ich aber wissen, was überhaupt im Lager ist, welche Teile aktuell produziert werden, wie es um die Maschinen steht«, sagt Neuhüttler. »Es ist ein hochkomplexes System, das der Mensch mit seinen Fähigkeiten schwer steuern kann. Deswegen braucht es die Transparenz der Daten.«

Daneben entwickeln und erproben die Forschenden konkrete Use Cases und neue IT-Services, auch mit Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Denkbar sind diese etwa bei der Wartung von Maschinen oder in der Qualitätskontrolle. »Heute prüfen Menschen, ob sich beim Lackieren vielleicht Bläschen unter dem Lack gebildet haben oder ob Kratzer entstanden sind. Künftig könnte das die KI übernehmen, mittels Kamera und Bilderkennung, und bei Unregelmäßigkeiten einen Alarm auslösen«, so Neuhüttler.

 

Vom Pilotwerk zur Serienreife

Einen besonderen Vorteil bringt Audi mit seinemWerk »Böllinger Höfe« mit ein. Die Manufaktur bei Neckarsulm, in der hochindividuelle, exklusive Sportwagen gefertigt werden, dient innerhalb der AI25 als Reallabor. Hier können Anwendungen getestet werden, bevor sie in Serienreife gehen. Ein Beispiel dafür ist das Projekt »Edge Cloud 4P«, bei der Computerleistung zentralisiert wird, um Kosten einzusparen. »Heute stehen an der Fertigungslinie viele PCs, die nicht genug ausgelastet sind«, sagt Sebastian Reinisch. »Daher kam die Idee auf, die PC-Last ins Rechenzentrum zu bringen und an der Linie nur noch einfache Thin Clients zu haben.« Dabei handelt es sich um Computer, die zentral verwaltet werden. Sie kommunizieren in Echtzeit mit Servern, von denen sie Software und Daten beziehen. So lassen sich Betriebssysteme und Anwendungen leichter auf aktuellem Stand halten. »Aktuell wird das in den Böllinger Höfen ausgerollt. Wenn das erfolgreich ist, kann die Technologie auch in anderen Werken ausgerollt werden.«

Die AI25 ist angetreten mit dem Anspruch, den Forschungs- und Innovationsstandort Heilbronn mit weiterzuentwickeln. »Was hier entstanden ist und weiterhin entsteht, ist etwas Besonderes. Eines unserer Ziele ist es gerade deswegen auch, unsere Mitarbeitenden und die gesamte Region auf diese Reise mitzunehmen und ihnen einen Zugang zu diesem Ökosystem zu ermöglichen.«

Weitere Informationen

 

Initiative AI25

Gemeinsam mit der AUDI AG und der Technischen Universität München startete das Fraunhofer IAO die »Automotive Initiative 2025 (AI25)«. Im Rahmen der Initiative soll in der Region Heilbronn ein weltweit führendes Kompetenznetzwerk für die digitale Fabriktransformation aufgebaut werden. Passende IT-Lösungen kommen von den Technologie-Partnern AWS, SAP sowie von Capgemini und XL2.

Blogbeitrag

Die digitale Fabriktransformation: Vision statt Dystopie

In seinem Blogbeitrag vom 16. Februar 2023 gibt Christian Blümel seine Expertise zum Thema digitale Fabriktransformation weiter. Der beste Plan hält den ständig wechselnden Bedingungen der digitalen Transformation nicht stand. Um flexibel mit diesen Änderungen umgehen zu können braucht es vor allem eines – authentische und gelebte Vision.

 

Aus dem Magazin »FORWARD

Dieses Feature ist Teil des Magazins 1/23 des Fraunhofer IAO in Kooperation mit dem IAT der Universität Stuttgart.