Wie können Städte, die einen wesentlichen Anteil der globalen Emissionen produzieren, die Klimaneutralitätsziele des European Green Deals bis 2030 erreichen? In den meisten Städten und Kommunen werden Dekarbonisierungsansätze projektbezogen angegangen, zum Beispiel in Form von Klimaaktionsplänen. Doch da der Energieverbrauch stetig und an vielen Stellen (z. B. in den Bereichen Mobilität, Gebäude, Abfall und der natürliche Stadtumgebung) erfolgt, müssen Städte überdenken, wie alle Infrastruktursysteme zur Reduzierung der Emissionen beitragen können. Gleichzeitig interagieren die Bürgerinnen und Bürger täglich mit diesen städtischen Systemen und werden somit zu Akteurinnen und Akteuren, deren alltägliche Entscheidungen und Verhaltensweisen die Stadt prägen und letztlich ihren Kohlenstoff-Fußabdruck bestimmen. Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit einer Verlagerung hin zu einem strategiebasierten Ansatz, der auf einer mehrstufigen und sektorübergreifenden Zusammenarbeit beruht und in ein innovationsförderndes Umfeld eingebettet ist. Mit dem Forschungsprojekt »UP2030 – Urban Planning and design ready for 2030« finanziert die Europäische Kommission daher eine Innovationsmaßnahme, um Städte dabei zu unterstützen, den erforderlichen soziotechnischen Wandel zur Erreichung der Klimaneutralitätsziele umzusetzen. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO koordiniert das Konsortium aus insgesamt 47 Projektpartnern aus 14 Ländern, das den UP-Ansatz in acht europäischen Pilotstädten erprobt.
Von Münster über Mailand bis Thessaloniki – Städte ganzheitlich transformieren
Ziel des Projekts ist es, transformative Veränderungen in Pilotstädten zu identifizieren, in denen der »5UP-Ansatz« anwendet wird: dieser besteht aus UP-Dating, UP-Skilling, UP-Grading, UP-Scaling, und UP-Taking. »Es reicht nicht, einzelne Maßnahmen umzusetzen und sich dabei nur auf Technologien zu konzentrieren. Die Transformation einer Stadt muss ganzheitlich erfolgen«, erklärt Trinidad Fernandez, Gesamtprojektkoordinatorin und Forscherin am Fraunhofer IAO. Deshalb entwickelt das Institut gemeinsam mit den Städten Stadtplanungslösungen und Methoden, die auf den Werten Gerechtigkeit, Widerstandsfähigkeit, Neutralität und Nachhaltigkeit aufbauen. Zu den acht europäischen Pilotstädten gehören: Mailand (Italien), Rotterdam (Niederlande), Zagreb (Ungarn), Thessaloniki (Griechenland), Granollers (Spanien), Budapest (Ungarn), Lissabon (Portugal) und Münster (Deutschland). Auch die beiden Städte Istanbul (Türkei) und Belfast (Vereinigtes Königreich) der assoziierten Länder sind beteiligt sowie Rio de Janeiro (Brasilien) als Stadt in einem Schwellenland.
Im Rahmen des Projekts werden die Bedürfnisse, Hindernisse und Triebkräfte auf dem Weg zur Neutralität ermittelt, um die Ausgangsbedingungen für jede Stadt zu bestimmen. Die Visionen werden gemeinsam entwickelt, um Innovationen in drei wichtigen und miteinander verknüpften Bereichen der Stadtplanung und -gestaltung anzugehen: (1) vernetzte, (2) kompakte und (3) Netto-Null-Städte. »Wir wollen die Städte dazu ermutigen, Fahrpläne zu entwickeln und mit praktischen Maßnahmen umzusetzen, einschließlich der Anpassung und Weiterentwicklung bestehender Instrumente und Ansätze«, so Fernandez weiter. Auch das Engagement der Menschen trägt entscheidend zum Projekterfolg bei: »Die Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürger als Akteure des Wandels ist von entscheidender Bedeutung, da Klimaneutralität nur durch nachhaltige Verhaltensänderungen und Lebensstilentscheidungen erreicht werden kann.«
Erkenntnisse auf andere Städte übertragen
Die Erkenntnisse aus der 36-monatigen Projektlaufzeit werden analysiert, extrahiert und in Form von »Replikations- und Übertragbarkeitspaketen« für weitere Städte zur Verfügung gestellt. Zu den Ergebnissen wird auch ein frei zugängliches Schulungsprogramm zum Thema »Stadtplanung und Design für klimaneutrale und intelligente Städte« gehören. Das Projektkonsortium plant auch, Synergien mit den EU-Missionen für Städte und Initiativen zu schaffen, um die Nutzung der Ressourcen zu optimieren und die Wirkung zu maximieren.
Für das Kick-off-Meeting und zum Start des Projekts traf sich das Konsortium im Februar in Thessaloniki, Griechenland. Als Projektkoordinator ist das Fraunhofer IAO verantwortlich für die Konsensbildung und die Entwicklung einer allgemeine Projektvision zu den 5UP. Dafür kann es auf seine Expertise in den Bereichen Stadtplanung und -entwicklung, Analysewerkzeuge und -methoden zurückgreifen, um ein gemeinsames Verständnis für den Reifegrad der sozio-technischen Übergänge in den Pilotstädten zu schaffen.