Die Neurowissenschaft findet in verschiedenen Disziplinen Anklang und ist neben der Grundlagenforschung und Medizinischen Anwendung auch beispielsweise im Bereich der Arbeitswissenschaft, Mobilität oder Robotik nutzbar. Gerade jetzt, im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI), deren Akzeptanz auch von der geschickten Vernetzung von Mensch und Maschine abhängt, ist der Einsatz neuroergonomischer Konzepte und Methoden ausschlaggebend. Dennoch findet dieser Ansatz bisher nur wenig Berücksichtigung.
Angewandte Neurowissenschaften können Akzeptanz von KI-Systemen steigern
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat zu diesem Thema die Studie »Feinfühlige Technik« im Rahmen der Studienreihe des KI-Fortschrittszentrums »Lernende Systeme und Kognitive Robotik« veröffentlicht. Darin zeigen die Wissenschaftler*innen anhand verschiedener Beispiele Methoden und Potenziale auf, in welcher Form die Neurowissenschaft Anwendung in der Praxis finden kann. Dabei lässt sich das Technik-Design von Produkten so optimieren, dass die Bedürfnisse der Nutzenden im Vordergrund stehen und die Interaktion zwischen Mensch und Maschine davon profitiert. Dadurch würden auch die Technologien eine höhere Akzeptanz erfahren. Die Neuroergonomie kann beispielsweise Aufschluss darüber geben, wie es um die kognitive Belastung und das emotionale Erlebnis von Benutzer*innen während der Anwendung von Technologien steht. Sogenannte Brain-Computer-Interfaces (BCIs) ermöglichen es zudem, Signale des menschlichen Gehirns zu messen und somit emotionale und kognitive Zustände in Echtzeit zu erkennen – um somit neue Interaktionsmöglichkeiten im Sinne des symbiotischen Designs zwischen Mensch und Maschine eine feinfühlige Technik zu schaffen.
Ein Blick über den Tellerrand – Brain-Computer Interfaces außerhalb der Medizin
BCI finden derzeit vor allem in der Medizin eine große Verwendung – beispielsweise um schwerst gelähmten Patient*innen die Kommunikation zu erleichtern bzw. zu ermöglichen. Nun sollen diese Methoden auch dabei helfen, aktuelle Probleme zu lösen, die in der Entwicklung von Produkten oder adaptiven und autonomen Assistenzsystemen für die Arbeit, das Lernen und die Mobilität bestehen. Durch verschiedene Szenarien, die sich aus Gesprächen mit Expert*innen ergaben, wollen die Verfasser*innen der Studie diese Potenziale aufzeigen.
Das Forschungsteam legt unter anderem dar, welche Messmethoden es zur Erfassung mentaler Prozesse gibt. So gibt es beispielsweise die Möglichkeit die Aufmerksamkeit oder die mentale Belastung durch die Elektroenzephalographie (EEG) oder die Analyse von Blickbewegungen durch Eyetracking-Systeme zu messen. Ein konkretes Anwendungsszenario ist der Einsatz in autonomen Fahrzeugen. Dabei haben 30 Studienteilnehmer*innen in einem Simulator für vollautomatisiertes Fahren visuelle und auditorische Konzentrationsaufgaben gelöst. Durch ein EEG konnten die Wissenschaftler*innen die Gehirnaktivitäten und somit Konzentration, Leistungsfähigkeit und kognitive Belastung messen. Die Ergebnisse zeigen z.B., dass großflächiges, helles Licht mit hohem Blauanteil sowie reduzierte visuelle und auditive Reize zu einer erhöhten Arbeitsleistung führen. Mathias Vukelic, Wissenschaftler im Bereich der Angewandten Neurowissenschaft und Neuroadaptiven Technologien am Fraunhofer IAO, betont: »Es ist gerade im digitalen Zeitalter wichtig, die Neurowissenschaft in vielen Bereichen mehr zu fördern. Für die Gestaltung menschzentrierter Technik können durch die Berücksichtigung mentaler Aspekte sowohl positive Erlebnisse und Motivation in der Technikinteraktion sowie die Nutzerfreundlichkeit aber auch die Akzeptanz und das subjektive Wohlbefinden erheblich gefördert werden.«
Das Fraunhofer IAO beschäftigt sich im hauseigenen NeuroLab schon länger mit den Herausforderungen menschzentrierter Technikentwicklungen, die den Menschen bei der Arbeit heute und in der Zukunft fördern.