Wirkungssimulation und Emissionsberechnung von modellhaften Mobilitätsmaßnahmen zur Stärkung des ÖPNV

Herausforderung

Für die Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 unterstützt die Bundesregierung innovative Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Um die Emissionsreduzierung im ÖPNV durch ein attraktiveres Angebot nachhaltig zu fördern, wird seit Anfang des Jahres 2022 modellhaft die Umsetzung von Maßnahmen in den Bereichen »Verbesserung der Angebots- und Betriebsqualität«, »Entwicklung attraktiver Tarife« sowie »Vernetzung von Auskunfts- und Vertriebssystemen« gefördert. Konkret werden dabei zum Beispiel flexible On-Demand-Verkehre eingeführt, Mobilitätsstationen geschaffen, digitale und intermodale Mobilitätsplattformen realisiert, Takte verdichtet sowie die Barrierefreiheit von Angeboten verbessert. Dabei werden im Rahmen der Förderrichtlinie »Modellprojekte zur Stärkung des ÖPNV« vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in einem ersten Förderaufruf von 2022 bis 2024 zwölf Projekte gefördert. Im Rahmen eines zweiten Förderaufrufs, der einen Förderschwerpunkt auf den ländlichen Raum vorsieht, werden von 2023 bis 2025 sieben weitere Modellprojekte durch das BMDV gefördert.

Das Team »Mobility Ecosystems« des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO evaluiert die Wirkung dieser Maßnahmen durch einen integrierten und nutzerzentrierten Ansatz hinsichtlich der Attraktivitäts- und Nutzungssteigerung des ÖPNV, Verlagerung von Verkehren des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf den ÖPNV und der Emissionsminderung.

Methodik

Das Vorgehen zur Wirkungsberechnung der Maßnahmen basiert auf einer nutzerzentrierten Methodik in vier Schritten. 

Hierzu erfolgt im ersten Schritt die Analyse der Präferenz- und Verhaltensänderung der Nutzenden und Nichtnutzenden mithilfe von Befragungen in den Modellprojektgebieten. Diese basieren auf der Stated-Preference-Methode zur Analyse der Nutzerpräferenzen und der Revealed-Preference (RP)-Methode zur Analyse der tatsächlichen Mobilitätsverhaltensänderung. Zusätzlich zu den nicht repräsentativen, gebietsbezogenen Umfragen werden die Befragungen auch deutschlandweit durchgeführt, um neben den modellprojektspezifischen Nutzenfunktionen eine allgemeine, generalisierte Nutzenfunktion zur Validierung der spezifischen Nutzenfunktionen zu generieren. Nutzenfunktionen werden durch die Modellierung des Nutzerverhaltens aus den Nutzerpräferenzen (Pkw vs. ÖPNV) der Stated-Preference-Befragungen abgeleitet. Die Nutzenfunktionen werden mit ÖPNV-Daten der Modellgebiete (z. B. Ticketverkäufe) und Daten aus der RP-Befragung kalibriert und stellen die Grundlage für die Wirkungsberechnung dar. 

Im zweiten Schritt erfolgt die Modellierung der tatsächlichen Verkehrs- und Emissionsveränderung. Hierzu wird die Berechnung der Verkehrsveränderung im MIV und ÖPNV in den Modellgebieten auf Basis von aktuellen Verkehrsmodellen und Verkehrsdaten durchgeführt. Für einen Delta-Vergleich (vor und nach Implementierung) erfolgt die Berechnung des Verkehrs und der entsprechenden CO₂-Emissionen zu Beginn der Maßnahmenimplementierung und zu Projektende. 

Im dritten Schritt erfolgt die Berechnung der durch die Einzelmaßnahmen verursachten absoluten und relativen Veränderung der ÖPNV-Nutzung, des Modal Splits und der Emissionen. Hierzu wird ein zweiseitiger Ansatz verfolgt, der die reale, durch die Maßnahmen verursachte Änderung durch eine obere, Einflussfaktormenge-überschätzende, und eine untere, Einflussfaktormenge-unterschätzende Schranke, approximiert. Zur Bewertung der Wirkung werden externe Faktoren (z. B. veränderte Verkehrsinfrastrukturen und wirtschaftliche Entwicklungen) erhoben und in der Wirkungsberechnung berücksichtigt.

Im vierten Schritt werden die Ergebnisse in Hinblick auf einen Wissenstransfer aus den Modellprojekten der beiden Förderaufrufe und deren Übertragbarkeit bewertet sowie Erfolgsfaktoren und Barrieren für die Umsetzung identifiziert. Diese Informationen zur Generalisierung werden im Rahmen von Interviews mit Expertinnen und Experten aus den Modellregionen und abschließenden Workshops abgeleitet.

© Fraunhofer IAO
Vorgehensmodell zur Wirkungsberechnung von Mobilitätsmaßnahmen.

Zu erwartende Ergebnisse

Die Projekte beider Förderaufrufe werden mit Fokus auf ihr CO₂-Reduktionspotenzial wissenschaftlich begleitet und die Forschungsergebnisse zur Wirkung der Mobilitätsmaßnahmen dabei in ein Bewertungsmodell für das CO₂-Reduktionspotenzial von unterschiedlichen Maßnahmen überführt. Des Weiteren werden aus der Analyse von Erfolgsfaktoren und Barrieren sowie Best Practices in der bisherigen Umsetzung aus den Modellprojekten der beiden Förderaufrufe entsprechende Handlungsempfehlungen abgeleitet.