Emotionsmessung für (E-)Fahrradsicherheit und Mobilitätskomfort – ESSEM

Radfahren mit Gefühl: Stressmessung für sichere und komfortable Mobilität

Wie sicher fühlen sich Radfahrende im Straßenverkehr tatsächlich? Das Projekt ESSEM nutzt innovative Emotionsmessung, um Stressfaktoren im städtischen Radverkehr zu identifizieren und die Radinfrastruktur von morgen mitzugestalten.

© Universität Stuttgart, IAT

Herausforderung

Angesichts der wachsenden Bedeutung des Fahrrads als umweltfreundliches und gesundheitsförderndes Verkehrsmittel in städtischen Gebieten wachsen die Anforderungen an die Sicherheit und den Komfort von Radfahrenden. In Anbetracht der teils mangelhaften Beschaffenheit von Radinfrastrukturen und äußeren Einflüssen (z. B. Wetter, Luftqualität) leidet das Sicherheitsempfinden der Radfahrenden. Beinaheunfälle und Konflikte mit dem motorisierten Individualverkehr verschärfen die aktuelle Verkehrssituation weiter – gängige Statistiken bilden diese Gemengelage nur unzureichend ab. Das Projekt »ESSEM« (Emotion Sensing für (E-)Fahrradsicherheit und Mobilitätskomfort) adressiert diese Aspekte mit dem Ziel, durch den Einsatz fortschrittlicher Technologien das Sicherheitsempfinden und das Wohlbefinden von Radfahrenden zu erfassen und darauf aufbauend zu verbessern.

Methodik

Der Fokus des Projekts liegt auf der Nutzung von »Emotion Sensing«-Technologien, also der Erfassung von biostatistischen Daten, um das Sicherheitsempfinden und den Mobilitätskomfort von Radfahrenden zu untersuchen und zu verstehen. Der Ansatz besteht darin, Stressmomente während der Fahrt quantitativ zu erfassen und diese in Beziehung mit verschiedenen externen Faktoren wie Infrastrukturqualität, Verkehrsbedingungen und Umwelteinflüssen sowie persönlichen Dispositionen von Radfahrenden zu setzen. Zentrales Projektziel ist es, durch die gesammelten Erkenntnisse zur Attraktivitätssteigerung des Fahrrads als Verkehrsmittel der Wahl beizutragen und Ansätze für die Übertragung der entwickelten Methodik auf weitere Verkehrsmittel und Mobilitätslösungen zu entwickeln. 

Lösung

Das methodische Fundament des Projektes ESSEM ist die kontinuierliche biostatistische Datenerfassung mittels Wearable-Technologie, welche physiologische Parameter wie Hautleitfähigkeit, Herzfrequenz und Hauttemperatur der Probandinnen und Probanden misst. Nach der initialen Sensordatenerhebung in mehreren Erhebungsphasen in den Städten Osnabrück, Ludwigsburg und Herrenberg erfolgt  eine tiefgreifende Analyse anhand der im Projekt entwickelten Erhebungs- und Auswertemethodik. Diese basiert auf einem speziell für den Anwendungszweck designten und trainierten künstlichen neuronalen Netz und der Identifikation zentraler Persönlichkeits- und Mobilitätsverhaltenscharakteristika mittels eines standardisierten Fragebogens.  

Darauf aufbauend erfolgt die Analyse der Interpretierbarkeit und Integrationsmöglichkeiten der Erkenntnisse in die kommunale Infrastrukturplanung und Produktentwicklung von Routinglösungen statt. Ein branchenübergreifendes Innovationsnetzwerk, bestehend aus Zulieferern, Produzenten sowie Vertreterinnen und Vertretern von Fachverbänden und Netzwerken, trägt zur Exploration möglicher Entwicklungsrichtungen und -potenziale des Emotions-Sensing-Ansatzes bei. Das vorab definierte Forschungs-feld wird dabei unter Einbezug von Stakeholder-Rückmeldungen weiter präzisiert. Durch die Interdisziplinarität des Ansatzes wird der Aufbau von Kompetenzen in den Bereichen KI und Fahrradtechnologie ermöglicht, der neue Marktchancen für unterschiedliche Akteure eröffnet. Durch die Erweiterung der Wertschöpfungskette mittels des Innovationsnetzwerks werden neue geschäftliche Kooperationen angedacht, die zur Expansion der Geschäftsfelder der beteiligten Unternehmen führen sollen.

Ergebnis

Wegenetz und detektierte Moments of Stress in Osnabrück
Wegenetz und detektierte Moments of Stress in Osnabrück

Die ersten Auswertungen der im Rahmen von ESSEM erhobenen Daten haben tiefgreifende Einsichten in die erlebten Stressfaktoren von Radfahrenden im städtischen Radverkehr geliefert. Sie zeigen deutlich, dass bestimmte Infrastrukturen und Verkehrssituationen signifikant zum Stresserleben der Radfahrenden beitragen. Diese Erkenntnisse werden genutzt, um konkrete Empfehlungen für die Verbesserung der Radinfrastruktur zu entwickeln und tragen damit zur Förderung einer nachhaltigen Mobilitätskultur in städtischen Räumen bei. Damit soll durch die Verknüpfung von interdisziplinärer wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung die Lebensqualität und Sicherheit im städtischen Radverkehr entscheidend verbessert werden.