Nahrungsaufnahme ist ein Grundbedürfnis, Ernährung ist ein Kulturgut. Mit der wachsenden Weltbevölkerung sind besonders auch die globalen Ernährungssysteme bereits heute mit Herausforderungen konfrontiert. Eine Auseinandersetzung mit Ernährungsthemen ist notwendig. Der Ansatz der Reintegration urbaner Produktionsstätten gewinnt zunehmend an Bedeutung. Durch urbane Gärten sowie technologieorientierte Anbauweisen, wie beispielsweise die vertikale Landwirtschaft, können urbane Räume transformiert und die lokale Verfügbarkeit von frischen Lebensmitteln erhöht werden. Durch den Lebensmittelanbau in Städten können vielfältige positive Wechselwirkungen entstehen, die über die Verteilung und Qualität der Lebensmittel hinausgehen. Doch wie könnte die Lebensmittelproduktion und -versorgung im Stadtzentrum der Zukunft aussehen? Das Whitepaper »Immersive Urban Food Landscapes« des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO stellt sich dieser Frage und setzt sich in Zusammenarbeit mit dem Werksviertel-Mitte Kunst in München und der Marketingagentur URKERN mit einer künstlerischen Darstellungsform auseinander.
Drei Zukunftsszenarien
Am Beispiel des Werksviertel-Mitte München betrachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IAO den lokalen Lebensmittelbedarf und Ressourcenpotenziale zur Realisierung einer urbanen Selbstversorgung. »Um diese stadtintegrierten Lebensmittelproduktionssysteme zu realisieren, bedarf es innovativer Produktionsstätten und -formen sowie Technologien«, erklärt Prof. Dr. Vanessa Borkmann, Co-Autorin und Leiterin des Forschungsteams »Smart Urban Environments«.
Daraus entstanden sind drei Zukunftsszenarien:
- Urbane Bauernhofromantik
- Urbane Hightech-Landwirtschaft
- Urbaner Gemeinschaftsarten
Die »Urbane Bauernhofromantik« fokussiert auf eine Selbstversorgung durch die Gemeinschaft von Mensch und Tier, die »Urbane Hightech-Landwirtschaft« auf eine Selbstversorgung durch technische Innovation und Automatisierung und der »Urbane Gemeinschaftsgarten« auf eine sozial-partizipative Lebensmittelproduktion durch Co-Kreation und Wissensaustausch.
Das Forschungsteam geht in seinem Whitepaper auf einen Tag von zugehörigen Personas ein, die einen Einblick in die jeweils vorherrschenden Produktionsarten, Ernährungsformen, Lebensmittelarten und -sorten, Betriebs- und Geschäftsmodelle und den Technikeinsatz geben.
Die Stärke der Kunst
Die im Projekt beteiligten Künstlerinnen und Künstler experimentierten mit der Nutzung technologischer Möglichkeiten wie Augmented Reality, um die entwickelten Zukunftsszenarien auf eine immersive Art und Weise aufzuzeigen und zu hinterfragen. Die Kunstwerke wurden auf der immersiven Ausstellung »fu:topia« im Werksviertel-Mitte in München ausgestellt.
Durch diese Form der Zusammenarbeit sollten Lerneffekte an der Schnittstelle von Wissenschaft, Kunst und Wissenschaftskommunikation generiert und so ein besseres Verständnis dafür geschaffen werden, wie die Gesellschaft für die Relevanz einer stadtintegrierten Lebensmittelproduktion sensibilisiert werden kann. Prof. Dr. Vanessa Borkmann betont vor diesem Hintergrund: »Kunst hat eine besondere Stärke, Themen zu emotionalisieren: Sie kann sehr theoretische oder komplexe wissenschaftliche und/oder gesellschaftspolitische Fragestellungen vermitteln - nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Weigerung, sich auf Botschaften oder reine Informationsvermittlung zu beschränken.«
fu:topia im Werksviertel-Mitte
Die immersive Ausstellung »fu:topia« fand vom 11. Juli bis 31. Oktober 2023 verteilt im gesamten Werksviertel-Mitte in München statt. Die Ausstellung war Teil des interdisziplinären Projekts »Immersive Urban Food Landscapes«. Dabei arbeiteten Forschende des Fraunhofer IAO und sieben Kunstschaffende zusammen, um Szenarien für die urbane Lebensmittelproduktion der Zukunft zu entwickeln.